Kapitel 1

Große Stadt, große Firmen

„Wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst dass nicht tun!?", beginnt Ram aufgebracht und schon fast hysterisch an seine Schwester gerichtet, die sich so einen Ton nicht gefallen lässt. „Und wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst nicht so mit mir reden!?", keift Kajal zurück. Warum die zwei streiten? Kajal wollte Ram eigentlich nur eine kleine Frage stellen, die sie allerdings jetzt nicht mehr weiß, doch bevor sie dazu kam fuhr Ram sie gleich, ohne Grund, an. Eine ganze Weile ging dies hin und her nun stehen die zwei sich in der Küche gegenüber und werfen mit giftigen Blicken um sich. „Was ist denn hier los?", will Sunita lachend von den beiden wissen. Sie geht auf die zwei streitenden zu und blickt von einem zum anderen. „Oh, störe ich bei etwas?", fragt sie immer noch lachend. „Ja!", sagt Ram im selben Augenblick in dem Kajal „Nein!" sagt. Nun kann sich Sunita überhaupt nicht mehr halten und es platzt aus ihr heraus. Sie zeigt mit dem Finger erst in Rams und dann in Kajals Richtung und hält sich mit der anderen Hand den Bauch. „Ihr seit echt zum schießen!... Ich kann nicht mehr!... Hört doch auf so komisch zu gucken!", lacht sie nun. Ram und Kajal schauen sich fragend an, dann Sunita aber dann merken sie wie dumm ihr Streit eigentlich ist und beginnen nun auch mit zu lachen. „Warum ich euch eigentlich aufgesucht habe...", fängt Sunita nun an, nachdem sie sich wieder beruhigt hat. „...Weiß einer von euch wo Raj ist?", fragt sie dann. „Wo soll er denn sein? Da wo er immer um diese Uhrzeit ist!", meint Ram nun. Sunita blickt auf die Küchenuhr: 21:30 Uhr „Typisch!... War ja klar!... Warum frag ich eigentlich noch!?", sagt sie dann und klinkt weder froh noch traurig.


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Im Club, 'The Night For Love', ist mal wieder viel los. Die Männer sitzen auf ihren Hockern und schreien den hübschen Tänzerinnen begierende Worte hinterher. Die Clubtür geht auf und ER tritt ein. Mit einer Sonnenbrille und einem elegantem Gang, den ein Mann nur tun kann, geht er auf seinen Stammplatz zu und lässt sich dort nieder. „Reha!", ruft er, um die Aufmerksamkeit einer der Tänzerinnen zu bekommen. „Ja?", fragt diese und wendet sich von den Männern an der Bar ab. „Könntest du Megha bitten mir einen Champagner zu bringen!?", meint er und nimmt seine Sonnenbrille ab. „Ja klar. Kommt sofort!", antwortet Reha und geht zurück an die Bar. Während dessen unterhält er sich mit seinem Nachbarn, der ein Freund zu scheinen ist, denn man sieht hin und wieder ein Lächeln auf seinem Gesicht - welches seine Grübchen unwiderstehlich macht.

Einige Minuten später tritt Megha, mit einem Tablett, an den Tisch und stellt ein Glas Champagner ab. „Dein Champagner, Raj!", sagt sie. Raj schaut, von seinem Freund, in die Richtung von Megha und schenkt ihr ein Lächeln. „Danke, Megha!", meint er und greift gleich danach nach dem Glas. „Meine Schwester, Kiran, sucht nach dir!", meint Megha plötzlich und schaut ihn kurz an, dann schaut sie sich um ob sie irgendwo ihre Schwester sieht. „Dann soll sie nach mir suchen! Jeder weiß wo ich zu finden bin!", antwortet er kühl, denn er weiß warum Kiran ihn sucht. Er nimmt sich einen Schluck seines Champagner und stellt ihn anschließend wieder auf dem Tisch ab...


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„Guten Morgen, Schatz!", weckt Sunita ihren Verlobten mit ruhiger Stimme. Sie gibt ihm einen kurzen Kuss auf die Wange und will dann aufstehen, doch Raj greift nach ihrem Handgelenk und zieht sie an sich sodass ihr Oberkörper halb auf dem seinem liegt. Er öffnet langsam die Augen und blickt sie sanft an. „Guten Morgen, mein Engel!", sagt er und drückt sie noch etwas näher an sich ran. „Ich liebe dich, Sunita!", meint er und wartet auf eine Antwort. Doch er bekommt einen Blick in dem, tief in seinem Inneren, Zweifel zu erkennen ist. „Das tue ich wirklich!", sagt er nun sanft. „Wo warst du gestern noch?", kommt es jetzt von Sunita. „Im Club!", antwortet er knapp. „Ganz schön lang meiner Meinung nach. Ich hab auf dich gewartet. Ich hasse es ohne dich einschlafen zu müssen, das weißt du doch!?", sagt sie, steht vom Bett auf, geht an ein Fenster - im Raum - und hat ihm den Rücken zu gewandt. „Ja, ich weiß!...", fängt er an und kommt nun langsam auf sie zu. „...Aber du weißt doch, das ich gern die Zeit vergesse, wenn ich im Club bin!", beendet er seinen Satz und schlingt seine Hände um ihren Bauch. „Aber was ist... was ist wenn... wenn...!", fängt sie an und wagt es gar nicht weiter zu sprechen, geschweige denn zu denken. „Wenn was?", fragt er. „Du und diese Frauen...!", aus mehr besteht ihre Antwort nicht, doch Raj versteht. Er dreht sie behutsam an den Schultern zu sich und schaut ihr in die Augen, naja versucht es. „Schau mich an, Sunita!...", meint er und sie schaut langsam zu ihm auf. „...Du glaubst also wirklich, ich würde...", spricht er weiter und sie nickt kurz. „...Also hör mir jetzt mal zu! Ich liebe dich, dass tue ich wirklich, mehr als alles auf dieser Welt. Du bist die einzige Frau die ich begehre und das wird immer so bleiben. Verdammt, ich will dich heiraten und du glaubst mir immer noch nicht? Was soll ich denn noch tun? Soll ich auf Knien vor dir kriechen?...", meint er und kniet sich vor sie. „Raj, was tust du da?", fragt Sunita unsicher. „Lass das, steh wieder auf!" „Nein, lass mich ausreden!", weigert er sich und macht eine kurze Pause um gleich danach weiter zu sprechen. „Ich schwöre dir, ich will keine andere Frau. Du bist mein Leben, meine Seele, mein ganzes Verlangen du bist einfach alles für mich! Ohne dich macht mein Leben keinen Sinn. Ohne dich bin ich ein Nichts. Ich kann nicht mehr ohne dich leben und ich will es auch gar nicht. Seit dem ich dich das erste mal gesehen hab, wusste ich: Du bist die Richtige. Verdammt, Sunita, versteh doch: Ich liebe dich so sehr, dass ich es der ganzen Welt sagen will. Hörst du, ich kann und will ohne dich nicht leben!", meint er ernst, steht wieder auf und schließt sie in seine Arme. „Ich liebe dich doch auch, Raj. Ja, und wie sehr ich dich liebe!", antwortet sie. „Wie geht es eigentlich Shaan und seiner Frau, Nandini?", fragt Sunita plötzlich und schaut ihren Verlobten an. „Gute Frage! Aber ich weiß es auch nicht genau. Ich weiß nur, dass seine Frau ihr erstes Kind von ihm erwartet!", meint er zur Antwort. „In welchem Monat ist sie?", fragt Sunita. „Im siebten, soweit ich weiß!..."


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„Sag doch gleich wenn du willst, dass ich gehen soll!", meint Nandini aufgebracht und steht an der Haustür. „Das hab ich doch gar nicht gesagt!", redet Shaan auf seine Frau ein und versucht sie wieder zu beruhigen. Das geht öfters so, seit der Schwangerschaft. Nandini wird das wohl ein wenig zu viel, sodass sie immer etwas über reagiert. „Schatz, jetzt komm her las uns, uns etwas hinsetzen!", meint Shaan ruhig und nimmt seine Frau bei den Schultern. Die zwei setzen sich aufs Sofa und Shaan nimmt die Hand seiner Frau in die seine. „Ich habe nie gesagt, dass du gehen sollst. Das möchte ich auch gar nicht. Ich liebe dich und das weißt du auch!", sagt er ruhig und streicht mit seiner Hand behutsam über die seiner Frau. „Ich weiß! Aber du musst mich doch hassen!? Wie kann man jemanden lieben, von dem man ständig gesagt bekommt das man denkt er soll gehen? Ich bin eine schlechte Frau!", meint Nandini leise und ihr stehen bereits Tränen in den Augen. „Liebes, dass stimmt doch gar nicht! Du bist die beste Ehefrau, die sich ein Mann wünschen kann.", versichert er ihr. Er nimmt sie nun behutsam in den Arm, sodass sie an seine Schulter liegt, und streicht ihr über den Rücken. „Ähm Liebling, ich glaub ich sollte langsam los, denn ich muss ja arbeiten. Und du ruhst dich noch ein wenig aus!", meint er nun und löst sich von seiner Frau. „In Ordnung, Schatz! Ich werde dich vermissen, versuche bitte pünktlich zum Essen da zu sein!", sagt sie daraufhin. „Ja, aber überanstrenge dich nicht. Denk an das Kind!", ruft er ihr noch von der Tür aus zu. Sie hört wie die Tür ins Schloss fällt und legt sich im Sofa zurück, streicht sich langsam über ihren Bauch.


Während dessen ist Shaan auf dem Weg zur Firma, in der er arbeitet. Die größte Firma der Stadt, sie hat im letzten Jahr unglaublichen Aufstieg erlangt. Ganz in Gedanken, an seine Frau, erschreckt er regelrecht, als ihm jemand freundschaftlich auf die Schulter klopft und dann neben ihm her läuft. „Hey, Kumpel!", reißt ihn sein Freund nun vollkommen aus seinen Gedanken. „Hey, Shankar!", erwidert Shaan relativ gelassen. Shankar ist mal wieder, mit vollem Elan an den Tag, am strahlen. Nun legt er seinem Freund einen Arm um die Schulter und sieht ihn fragend an. „Hast du Lust mit mir heute Abend aus zu gehen?... Ein Männerabend versteht sich...", fragt Shankar neugierig. Shaan überlegt nicht lange: „Nein, tut mir leid. Ich muss nach Hause, meine Frau macht das Abendessen..." Shankar stöhnt verzweifelt auf: „Du armer Kerl...", meint er dann. Überrascht sieht Shaan zu seinem Freund, hat er sich da gerade verhört, oder hat er das wirklich gesagt? „Wie meinst du das?...", fragt er nun, um auf Nummer sicher zu gehen. „Na, das man immer das machen muss, was die Frau einem sagt. Man hat gar keine Freizeit mehr, wenn man verheiratet ist!" „Das stimmt doch gar nicht..." „Wenn du das sagst...", entgegnet Shankar, fast schon lachend. „Ich jedenfalls habe nicht vor zu heiraten und mir mein Leben wegen einer Frau zu versauen..." Shaan beobachtet seinen Freund von der Seite. Der spinnt doch vollkommen. Unglaublich, warum er so denkt. Shaan ist sich sicher, wenn es nicht sein Freund ist, der sich als nächstes verliebt, dann will er nicht länger Shaan Joshi heißen...


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Ein Tag wie jeder andere, Hektik auf den Straßen der Innenstadt, schnelle Autos, schnelle Menschen. Folgt man dem Treiben der Leute führt der Weg zu einem der größten, auffälligsten und angesagten Clubs der ganzen Stadt. Auf dem Clubschild ist, in einem wundervollem kräftigem Blau mit weißer Umrandung und schwungvoller Schrift, der Name des Clubs zu lesen. 'The Night For Love'. Und erst abends, wenn die jüngsten Bewohner der Stadt schon im Bett liegen, erwacht das Nachtleben. Mit ihm strahlt der Club, lässt den Namen schon von Weitem auf sich aufmerksam machen und mit all dem erwacht dieser Club zum Leben. Ein Club den man von außen nicht beschreiben kann, den man erleben muss um sich ein Bild zu machen. Wer glaubt dieser Club ist anders als andere, liegt richtig, doch nicht auf die Weise die manch einer, dank dem Namen, vielleicht denken mag. Lassen wir das Gerede, schauen wir doch einfach mal rein, denn gestern Abend haben wir zwar schon etwas gesehen, doch wohl nicht genug. Denn wie man weiß sieht alles am nächsten Morgen schon wieder ganz anders aus. Also nur herein mit uns.


„Kiran, Moment bitte... Nimm die Gläser hier doch gleich mal mit, die müssen in die Küche um gespült zu werden...", hört man eine Stimme von der Bar. Und wenn wir genauer hinschauen erkennen wir Megha die ihrer Schwester, mit dem Finger auf die Gläser, andeuten will, dass sie diese nehmen soll und wenn sie nach hinten will gleich mitnehmen kann. „Na, was man nicht alles macht, Schwesterherz...", meint sie dann aufstöhnend, kommt wieder zurück, ergreift das Tablett mit den Gläsern und verschwindet dann. Meghas Blick geht anschließend gerade aus, wo sie auf der großen Tanzfläche einige der Tänzerinnen auffindet. Shweta und ihre jüngere Schwester Avanti versuchen sich gerade an einigen neuen Tanzschritten. Sie sind, wenn man es so will, beim Tanzen die Lehrerinnen, sie sind erfahrener als die anderen, da sie schon wesentlich länger im Club arbeiten, als die anderen Frauen. Ob man ihnen das an sieht? Nicht im Geringsten.


„Hey, ihr zwei, sagt mal wo sind denn Sunidhi und Reha hin? Wollten die nicht eben noch mit euch proben?", fragt Megha neugierig und bringt die zwei andern vollkommen aus dem Konzept, sodass sich Avanti in ihrem Schritt voll vertanzt. Darauf hin müssen die zwei allerdings nur zu Lachen beginnen und sehen dann zu Megha. Diese jedoch hat keinen blassen Schimmer was gerade so zum Lachen ist und sieht die zwei dann mit fragenden Blick an. Die zwei reagieren darauf nicht und sehen Megha nun fast schon klärend an. „Oh, die...", beginnt Sunidhi. „...Die sind zu Geeta, sie wollten wohl etwas mit ihr besprechen, was genau wissen wir nicht...", meint dann Avanti unterstützend. „...Warum fragst du?", fügt Sunidhi fragend hinzu. Megha zuckt lachend mit den Schultern. „Reine Neugierde, ihr kennt mich ja..."


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Gehen wir doch nun mal Kiran hinter her, die vor wenigen Minuten in die Küche verschwunden ist. „Du, Radha...", kommt sie nun um die Fläche herum und stellt dann vorsichtig das Tablett neben dem Spülbecken ab. „...Die soll ich von Megha bringen lassen..." Radha sieht von Kiran hinunter zu den dreckigen Gläsern. „Manchmal wünsche ich mir, dass diese Arbeit nicht an uns hängen bleiben würde. Das man hier keine für die Küche einstellen kann...", meint sie dann und schnauft verächtlich, ihr scheint es heute wohl nicht so gut zu gehen. „Was ist mit dir...? Du musst das nicht allein machen, ich helfe dir doch! Zwar war ich vor zwei Tagen erst bei der Maniküre, aber ich denke die Gläser abtrocknen das bekomme ich noch hin...", meint sie dann und betrachtet ihre Finger, dessen Nägel am Rand weiß sind und wunderschöne Glitzersteinchen sie schmücken. Radha hält sich jedoch mit einem schmerzverzerrten Gesicht den Kopf. „Ich hab seit gestern Abend ein richtiges Stechen im Kopf..."


Besorgt sieht Kiran von ihrer Hand hinauf zu Radha, lässt ihre Hand sinken denn diese ist nun unwichtig geworden. „Hast du gestern was getrunken?", fragt sie dann besorgt. „Ja, aber nur, weil mir etwas von einem Gast angeboten wurde. Er meinte ich solle mir und ihm etwas zu Trinken holen. Du weiß, dass Geeta es nicht mag, wenn wir verneinen..." Kiran schüttelt, mit einem halben Lächeln den Kopf. „Ja, du hast recht. Aber Süße, schau mal, du weiß genau so gut wie alle anderen hier, dass du dieses Zeug nicht verträgst. Du hast eh schon zu viele Probleme, abgesehen davon, dass es deinem Vater nicht gut geht, geht es dir selber nicht sehr gut. Denk doch mal an dich, oder wenigstens an deine Lunge... Süße, wir wollten dich noch ein wenig für uns haben, wir alle haben doch außer uns niemanden... Ich bringe dir das heute mal bei, wie du das machen musst, wenn dir jemand etwas zu trinken anbietet!" Radha lächelt nur, das Gesagte ihrer Freundin rührt sie wirklich zu Tränen, unbeschreiblich was für eine liebevolle Person Kiran ist - was man ihr auf den ersten Blick gar nicht ansieht.


Wenn wir jetzt in der Küche weiter gehen und dann am Ende nach rechts abbiegen, geht ein langer Gang direkt in die Richtung zu einer einzigen Tür. Bleiben wir vor dieser Tür stehen können wir auf den kleinem Schild, an der Tür lesen, dass darauf steht: 'Privat - Nur für Angestellte'. Aber wir nehmen uns einfach mal die Erlaubnis und werfen mal einen kleinen Blick in das Innenleben dieses Raumes. Wir kommen gerade richtig, denn hier finden wir die fehlenden drei Personen auf, die uns noch gefehlt haben. Schließlich wollen wir euch nur schnell erzählen mit wem wir es alles zu tun haben. Na schön, wenn wir nun auch genauer hinsehen, bemerken wir, dass die drei gerade ein Gespräch beginnen wollen.


Geeta schaut die zwei Frauen vor sich interessiert an, auch wenn sie unterbrochen wurde in ihrer Arbeit die vor ihr liegt, lächelt sie dennoch freundlich. Sunidhi und Reha wissen jedoch zuerst nicht genau wie sie anfangen sollen, sie haben etwas angst vor der Reaktion ihrer Gegenüber. „Sag du es...", meint plötzlich Sunidhi leise in die Richtung ihrer Schwester, es klingt viel mehr wie ein zischen. „Du bist die ältere...", entgegnet Reha genau so leise. Geeta beginnt zu schmunzeln, die zwei sind wirklich zu süß. „Nicht mal 10 Sekunden...", erwidert Sunidhi leicht empört. „Mädchens, kommt schon. Rückt mit der Sprache raus, ich bitte euch darum, ich wollte eigentlich heute noch mit meiner Arbeit fertig werden!", meint Geeta, immer noch lächelnd. „Na schön...", beginnt nun Reha, etwas schnaufend. „...Wir wollten nur fragen, ob wir zwei heute Abend mal frei machen könnten. Unsere Eltern sind wieder gekommen und wollen mit uns heute Abend essen gehen... wir wollten ihnen erklären, das wir arbeiten, aber..." Geeta hebt die Hand und schon verstummt Reha und senkt den Kopf. „Was war daran jetzt nun so schwer?... Ich weiß wie so was ist, macht euch keine Sorgen, ihr zwei. Heute Abend wird nicht viel los sein, es ist Mittwoch. Nur zu geht, aber seit dann morgen eine Stunde früher als heute da und ihr werdet, da es nur gerecht ist, morgen länger machen..." Mit diesen Worten entlässt Geeta die zwei Mädchen...


***


Und nun gehen wir doch mal zurück. Nein, noch ein bisschen weiter. Genau, danke. Nun sind wir wieder außerhalb des Clubs. Weiter geht es. Könnt ihr von hier aus das große Gebäude sehen? Nun gut, momentan ist es noch weit entfernt und es scheint daher etwas klein zu sein. Aber Fehlanzeige, das ist die größte Firma der Stadt. Aber das hatten wir ja schon ganz zu Anfang, denn schließlich sind Shaan und Shankar genau zu dieser Firma gegangen. Wie diese Firma heiß? Na, dann lasst uns doch mal nach sehen. Und schon sehen wir es, groß und in schwarz steht direkt auf der gläsernen Eingangstür 'Sharma's'. Na, was für ein Zufall, wie wir wissen heißen Raj, Ram und Kajal auch Sharma mit Nachnamen. Und ein weiterer Zufall ist, dass ihnen diese Firma gehört. Zufälle gibt es.


Wir reden euch zu viel und ihr würdet lieber wissen, was ihr hier macht? Na dann folgt uns unauffällig wenn es geht. Nein, Scherz bei Seite, nur seit leise. Eine riesen Firma und eine verdammt leise dazu. Okey, gehen wir doch gleich in das oberste Stockwerk und in das einzige, weitreichende Büro. Es gibt hier nur einen Raum und wenn man den Fahrstuhl benutzt - den man benutzen MUSS, denn diese Firma besitzt keine Treppen (Was für ein Luxus) - kommt man eben genau in diesen Raum, weil der ganze obere Abteil nur aus diesem Raum besteht. Wir schweifen erneut ab und dann wollen wir doch gleich mal ins Geschehen eintreten!


„Raj... Kannst du mir einmal sagen, warum du dich aufführst als seist du hier der Chef höchst persönlich?", fragt ihn sein jüngerer Brüder und steht ihm gegenüber vor seinem Schreibtisch. „Warum? Ganz einfach, weil ich es auch bin!", entgegnet der Angesprochene nur und lässt sich weiter in seinem Bürostuhl zurück. Ram stützt sich vom Tisch ab und sieht seinen Bruder lange an: „Du spinnst echt... Es gehört nicht nur dir allein. Es gehört Kajal und mir zu gleichen Teilen!", erwidert Ram darauf hin. „Ja und? Wer ist denn den gesamten Tag hier? Ja wohl nicht ihr!", entgegnet Raj nur gelassen, weiß im Grunde gar nicht warum sich sein Bruder so aufregt. Und dennoch lächelt er vor sich hin, mustert seinen jüngeren Bruder belustigt.


„Ich bin auch jeden Tag da! Allerdings verbringe ich nicht anschließend die halbe Nacht im Nachtclub und lasse dafür meine Verlobte zu Hause sitzen, die den gesamten Tag nur nach mir fragt!", entgegnet Ram nun und sieht seinen Bruder herausfordernd an. „Lass Sunita aus dem Spiel. Sie hat damit rein gar nichts zu tun. Ich verstehe dich nicht. Wenn du nur einen Abend mal mit kommen würdest, dann wüsstest du wenigstens, dass man da mal die Gedanken an die Arbeit sacken lassen kann. Außerdem könntest du dich da mal etwas austoben... Ich mein, nicht wie du verstehst. Die Mädchen sind toll!", beginnt Raj dann, ist nach seiner ersten Aussage, die ziemlich angreifend klang, da er den Finger gehoben hat, seinen Bruder mit funkelnden Augen angesehen hat und ihn somit gezwungen hat etwas weiter zurück zu weichen, wieder ruhiger geworden. Alles lässt er sich erlauben, aber wenn es mit seiner Verlobten zu tun hat, dann könnte er jedem am liebsten an die Gurgel gehen. Ein schlechtes Wort über sie, ein falscher Blick der ihr gilt und schon könnte er Hackfleisch aus seinem Gegenüber machen - sogar aus seinem Bruder...


„Oh, ich verstehe!... Du vergnügst dich also abends mit den Ladys im Club...", entgegnet Ram und nickt wissend. Raj sieht seinen Bruder empört an: „Sag mal spinnst du? Bist du irre geworden? Ich würde nicht mal im Traum dran denken... Keine dieser Frauen kann Sunita das Wasser reichen... Und wenn du Bestätigung haben willst, dann geh in den Club und frag Kiran... Oder noch besser frag Geeta!" Ram sieht seinen Bruder etwas skeptisch an, was kennt er denn die Namen der Frauen, die dort arbeiten? Soll er seinem Bruder echt glauben, dass da nichts mit den Frauen läuft? Obwohl warum sollte er es ihm nicht glauben? Würde er jemals so reagieren, oder so etwas tun, wenn er eine Freundin oder gar Verlobte hat? Niemals! Also warum sollte es sein Bruder, von dem er gelernt hat, tun? „Woher kennst du die Namen der Frauen?", fragt er dennoch neugierig. „Glaub mir, mein Lieber, die lernst sogar du schneller als dir lieb ist. Die Namen werden täglich von Männern gerufen!"


Die zwei Männer würden ja gerne weiter reden, aber das gelingt ihnen nicht, denn hinten im Raum geht der Fahrstuhl auf und zwei lachende Frauen kommen nun hinein. Und da die Sekretärinnen, als Angestellten die einzigen sind die hier rein dürfen, aber diese niemals lachen würden, wenn sie zu den Männern kommen, können es keine anderen außer Kajal und Sunita sein. Und nachdem die Männer die Blicke zur Seite wenden erblicken sie auch genau diese zwei. Raj beginnt sofort zu lächeln, kommt auf seine Verlobte zu und gibt ihr einen Kuss auf die Wange eh er sie in seine Arme zieht, er sich auf den Schreibtisch setzt und Sunita weiter vor ihm steht. Mit dem Rücken lehnt sie an seiner Brust, genießt seine Gegenwart und lächelt schließlich verliebt.


Nachdem Ram und Kajal diese Szene beobachtet haben überspielen sie ihre Eifersucht. Es geht nicht, darum, dass Ram was von Sunita will. Warum auch? Sie ist gar nicht sein Typ. Und auch nicht, dass Kajal was von Raj will. Das wäre schon recht unschön, wenn die Schwester etwas vom eigenem Bruder will. Es geht eher darum, dass die zwei weder eine Freundin oder einen Freund, noch eine Verlobte oder einen Verlobten haben. Vor allem können sie an ihrem Bruder und ihrer baldigen Schwägerin sehen wie schön die Liebe ist, wie aufopfernd und wie prickelnd die Liebe sein kann. Es ist der Wahnsinn zu sehen, wie heiß und innig Sunita und Raj sich lieben obwohl sie nun bereits fast 5 Jahre zusammen sind und bald 3 Jahre verlobt sind. Ram und Kajal schaffen es aber doch vom Thema abzulenken, aber auch nur, weil sich Ram an seine Schwester wendet. „Was wolltet ihr denn hier? Ihr wisst doch eigentlich, dass der obere Bereich nur den Männern gehört!" Kajal zieht eine Grimasse und vermischt dieses mit einem darauf folgendem finsterem Blick. „Was soll das denn nun heißen, Ram?... Hast du schon vergessen, was unten auf der Eingangstür steht, oder wie MEIN Nachname ist?..."


Raj zieht eine Augenbraue in die Höhe: „Jetzt geht's wieder los...", meint er, etwas leise, an seine Verlobte. „Du hättest gestern dabei sein müssen. Wenn ich die zwei streiten sehe, dann könnte ich am Boden liegen. Die sollte man ins Fernsehen bringen, dort sollten sie dann ihre eigene Comendy-Sendung bekommen. Das würde Umsatz bringen!" Raj zieht seine Verlobte weiter zu sich. „Keine Sharma, aber Geschäftssinn wie eine!" „Wieso, lange wird es nicht mehr dauern, dann bin ich eine Sharma. Es sei denn du überlegst es dir vorher nochmal, oder bekommst weiche Knie... Oder aber, du siehst dich nach einer anderen um, weil ich dir nicht mehr gefalle..." Raj schnalzt auf, das macht sie immer um ihn zu ärgern. „Das wird nicht passieren...", meint er leise, haucht ihr dann einen Kuss auf die Schulter, wandert etwas weiter hinauf. Er lässt jedoch nur seine Lippen über ihre Haut streifen. Genussvoll schließt Sunita die Augen, beißt sich mit den Zähnen auf die Unterlippe. Die Berührungen ihres Verlobten machen sie jetzt schon verrückt, wie wird es dann erst sein, wenn sie verheiratet sind?


Ram und Kajal reißen die zwei allerdings aus dieser Szene, da sie das Streiten nun lauter und intensiver wahr nehmen. „...Weißt du wie egal mir das ist, Ram? Ich lass mir von dir doch nicht sagen, was ich zu tun und zu lassen hab. Ich bin kein Jahr jünger als du und du behandelst mich als sei ich noch ein Schulkind!" Raj und Sunita wechseln Blicke. Doch der Blick von Ram ist mehr als nur steinern und damit zu bezeichnen, dass er etwas sauer ist. Nein, Ram ist mächtig sauer. Ohne Grund, genau wie Kajal. Wieder einmal streiten die zwei über belangloses Zeug. Es wird zum Alltag. Und wenn Sunita und Raj überlegen müssten, wann die zwei mal nicht gestritten haben bräuchten sie ganz schön lange um das zu wissen. Rams Blick hat seine Augen dunkler wirken lassen, er wäre fähig Gegenstände zu schmeißen, wäre fähig sich alles von der Seele zu schreien und das so laut, dass die Fenstergläser klirren würden - wenn nicht kaputt gehen würden. „Du bist nie hier. Was soll ich denn anderes sagen? Und der Altersunterschied hat hier gar nichts zu bedeuten, meine Gute... Ich möchte nur klar stellen, dass seit dem unsere Eltern nicht mehr leben du dich einen feuchten Dreck darum geschert hast was aus der Firma wird. Du hast mich und Raj die Arbeit machen lassen... Du bist schlampig, Kajal. Wirklich. Um was hast du dich denn gekümmert? Hä?... Da haben wir es, nämlich um gar nichts..." Raj und Sunita sind nun völlig leise geworden. Rams letzten Worte waren wirklich nicht nötig. Und sie waren gelogen. Kajal hat ebenfalls nichts mehr gesagt. „Und außerdem...", will Ram gerade weiter sprechen, da hebt Kajal die Hand, knallt ihm eine das man es im ganzen Raum schallen hört und Raj hat das Gefühl als würde er den Schlag auch auf seiner linken Wange spüren. Kajal dreht sich um, die Tränen haben sich schon längst den Weg zu ihren Augen gesucht. Sie muss auf den Fahrstuhl warten, braucht aber nicht befürchten, dass Ram hinter ihr her kommt. Der ist noch zu gelähmt nach dem Schlag.


Als Kajal im Fahrstuhl steht, ist sie beruhigt sich festhalten zu können, denn ihre Beine fühlen sich nicht gerade so an, als ob sie sie noch lange halten können. Während sie bis nach unten fährt versucht sie sich wieder zu beruhigen, wenigstens um nach Hause zu kommen...


Ram erholt sich unter dessen gerade von dem Schlag. Sein Blick liegt genau in Rajs und Sunitas Richtung. Somit kann er sie nun ansehen. „Habt ihr das gesehen. Was fällt ihr ein?" Raj zieht erneut eine Augenbraue in die Höhe, sieht wieder zu seiner Freundin die ihn versteht und aus dem Grund auch den Kopf schüttelt. „Du hast es verdient Mann!", erklärt Raj dann seinem jüngerem Bruder. „Ach was, sie hätte eine verdient!", entgegnet Ram, etwas wütend. Er lässt die Hand von seiner Wange. Diese ist knall rot. Aber so fühlt sie sich auch an. Er hat das Gefühl, dass der Schlag blaue Flecken hervorruft. Wobei er sich das vorstellen kann, Kajal hat ihn bis zum heutigen Tag nicht nur einmal geschlagen. Sie liebt ihre Brüder zwar bis zum Wahnsinn, das wissen beide ganz genau, aber aus genau dem Grund können sie sie auch genauso hart treffen, wenn sie ihr gegenüber etwas unpassendes sagen. Und das was Ram eben gesagt hat war mehr als nur unpassend und wahr.


„Ram, du verstehst nicht. Nur weil du aus einem Impuls heraus gedacht hat, dass sie hier nicht einfach auftauchen braucht musst du ihr nicht gleich so vieles an den Kopf werfen... Du weißt wie empfindlich sie ist, seit dem unsere Eltern verstorben sind. Und vor allem du müsstest wissen, dass vor allem sie es war die an sie geglaubt hat, Tag und Nacht an ihren Betten saß, wie sie im Koma lagen, wegen des Unfalls. Und vor allem müsstest du auch wissen, dass sie es war die zu Hause alles gemacht hat, sie hat die Pflichten von Mutter übernommen, sie hat alles gemacht sie hat sich um die Bestattung gekümmert. Sie hat so vieles getan, ohne dass du ihr je gedankt hat. Sie hat es mit einem Lächeln getan..."


Rajs Bruder schweigt, er weiß nicht was er erwidern soll, weiß, dass sein großer Bruder recht hat. „Aber...", beginnt er dann. „Kein Aber, Raj hat recht. Du warst grauenvoll zu ihr! Das hätte ich dir nie zu getraut...", stimmt Sunita Raj zu. Ram sieht zu ihr auf, dann zu seinem Bruder, der seiner Freundin eine Hand um die Taille gelegt hat und nun bereits wieder vor dem Schreibtisch steht. Er weiß noch wie Raj vor 8 Jahren war, eh er mit Sunita zusammen war. Er war anders. Eigentlich total anders, er ist kaum wieder zu erkennen. Aber man weiß wie er war, wenn man weiß, dass die zwei Söhne der Sharmas eigentlich aus dem selbem Holz sind. Raj war vorher so wie Ram es heute ist. Ram ist keineswegs darauf besinnt Streite zu suchen, weil es ihn freut andere fertig zu machen. Das wäre lächerlich und das hätten ihre Eltern nie geduldet. Dafür, dass sie angemessen viel Geld haben, haben sie dennoch ein normal Kindsein erlebt. Sie waren Kinder wie jedes andere, haben draußen gespielt, haben nicht alles haben dürfen, was sie sich gewünscht haben, haben gelernt zu teilen. Ram denkt gerne an die Vergangenheit, denkt gerne daran, wie sich in den Jahren einiges verändert hat. Wie er sich geändert hat. Wie er fast schon ein Dubel seines Bruders geworden ist. Und dennoch unterscheiden sich die zwei in vielen Dingen. Angefangen mit dem Aussehen. Ram kommt mehr nach dem Vater, während Raj mehr nach ihrer Mutter kommt. Kajal ist ein Misch aus beiden, wobei sie allerdings mehr von ihrer Mutter hat. Ja, Ram liebt die Vergangenheit, er lebt nicht in der Vergangenheit. Das wäre gelogen, aber er verbindet viel damit...