Kapitel 2

In Amritsar

Doch um einiges ruhiger geht es allerdings in einer anderen Stadt her...

Shiv wird erst wieder aus seinen Gedanken gerissen als ein unhöflicher Mann, der nicht daran denkt auszuweichen, ihm an der Schulter wieder ins Hier und Jetzt verfrachtet. Er hofft, dass er nicht zu lange in Gedanken war und blickt auf die Uhr, in mittelbarer Nähe. Die Stadtuhr zeigt an, dass er nicht mehr lange Zeit hat. Sein Vater wird ihm hoffentlich nicht den Kopf abreißen. Bei seinem Vater weiß man schließlich nie genau. „Nun, Shiv mein Junge. Spurte dich etwas, eh dein alter Herr mit seinen Schuhen nach dir wirft!“, spricht er mit sich selber. Und kaum, dass er das flüstert beginnt er auch schon sich in Bewegung zu setzen. Shiv war nie ein Mensch der unsportlich ist, im Gegenteil. Außerdem kennt er die Umgebung besser als seine Hosentaschen. Und genau aus dem Grund steht er keine 10 Minuten später an einem kleinen Stand, ohne außer Atem zu sein und lehnt
sich an einen der Pfosten, der den Stand hält. „Da bin ich auch schon wieder.“

Ein etwas älterer Mann - markantes Gesicht, dunkle Haare, etwas mehr Gewicht als vielleicht nötig - mustert Shiv und beginnt zu schmunzeln. „Ja, das sehe ich. Du hast länger Pause gemacht, als dir erlaubt war, mein Sohn!“, meint er dann, sieht Shiv ernst an. Shiv sieht zu seinem Vater, versucht nun zu überlegen was er als Ausrede einwenden könnte. Doch ihm fällt nichts ein. „Papa, weißt du...“ Sein Vater zieht eine Augenbraue in die Höhe. „Ja, schon klar. Es hat geregnet, die Musik hat gespielt, du bist verliebt. Die alte Leier, schon klar. Durch die Masche ist ja schon dein Bruder durch!“ Shiv sieht von seinem Vater, der an dem Laden vorbei auf eine Person deutet die etwas weiter entfernt sitzt, zu seinem Bruder.
Shiv lenkt den Blick nun auf zwei Personen die auf einem Holzfass sitzen und sich tief in die Augen sehen. „Hey, Abhi ist jünger als ich, ja. Was willst du von ihm erwarten!?“ Sein Vater sieht wieder zu ihm zurück. „Ich kann dir sagen, was deine Mutter hätte jetzt gesagt, wenn sie noch am leben wäre. 'Sieh dir unseren Jungen nur an, Rakesh. Er hat in seiner Awani sicher die große Liebe gefunden.' Bla, bla, bla. Du weißt ja wie deine Mutter war!“ Shiv sieht weiterhin auf seinen, drei Jahre, jüngeren Bruder. „Ja, ich weiß noch genau wie sie war.“ Er kommt schnell aus seinen Gedanken, er hasst es an seine Mutter zu denken, er hasst es dass diese schmerzenden Gefühle der Trauer wieder aufkommen. Er hasst es, dass seine Mutter nicht mehr hier ist. Er hat sie geliebt wie zuvor niemanden, okay außer seinen Vater und seinen kleinen Bruder. Der ist allerdings anders als er, ja eigentlich total anders.
Aber Abhi hatte noch nie eine Freundin. Und diese Awani muss es ihm angetan haben, schließlich hocken die schon seit einigen Wochen - oder gar Monaten - nur noch zusammen und sind am turteln. Sollen sie mal. Shiv gönnt es seinem Bruder. Wenigstens hat er sich in jemanden verliebt der seiner Kaste angehört. Und nicht so wie er. Der sich dummer Weise in das reichste Mädchen der ganzen Stadt verguckt hat.

„Shiv... Shiv, komm aus deinen ständigen Tagträumen raus und mach für mich weiter. Ich glaub die Hitze bekommt mir nicht, ich muss mich setzen.“, meint sein Vater gequält. Wie Shiv die Stimme seinen Vaters an die Ohren tritt schaut er zu ihm und vergisst für einen Augenblick, dass er doch vor kurzen noch mit seiner Herzdame Freundschaft geschlossen hat. „Setz dich hier hin, Vater. Ich mach weiter. Wie sonst auch! Ich darf schuften und Abhi darf sich vergnügen.“ Sein Vater sieht zu seinem ältesten Sohn auf. Dieser allerdings lacht nur. „Komm schon Papa, das war ein Scherz. Wirklich ich mach das gerne, echt.“, beruhigt er dann seinen Vater, eh er sich gleich der ersten Kundin annimmt, die gerade vorbei kommt und am Stand stehen bleibt. Er verkauft ihr auch einen der Saris, nachdem er sie beraten hat. Er ist gut in so was, dass muss sogar sein Vater ihm lassen.

„Abhi... Hey, Kleiner, komm mal her!“ Abhi wendet den Blick von Awani zu Shiv, dann zurück zu ihr. „Entschuldige mich kurz, ja?“, meint er dann, lässt sie einverstanden aufstehen und steht dann selber auf. Er konnte nicht eher aufstehen, wenn sie auf seinem Schoß sitzt. „Wer ist hier der kleinere? Ich bin wesentlich größer, ja?“ Abhi zieht eine Augenbraue in die Höhe und blickt zu seinem Bruder. Dieser allerdings winkt mit der Hand ab. „Ob größer oder kleiner ist hier unwichtig. Mir ist egal, was du da alles mit deiner kleinen Freundin anstellen willst. Aber tue mir den Gefallen und bring unseren Vater nach Hause, danach kommst du wieder und hilfst mir etwas, ich denke außerdem, dass ihre Eltern sie auch brauchen bei ihrer Arbeit. Und noch was, so weit sind eure Stände auch nicht voneinander entfernt ihr könnt euch ja vom weiten Luftküsse zu werfen.“ Shiv muss ungewollt zu lachen beginnen. Abhi hingegen findet das nicht besonders witzig und sieht seinen älteren Bruder etwas strafend an, der daraufhin nur weiter lachen kann.

Die zwei Brüder kommen allerdings nicht zum Streiten, denn ihr Vater lenkt sich in das Gespräch ein. Außerdem wäre es nur der Grund, dass Abhi weiter geredet hätte. Er fühlt sich oft ungerecht behandelt. Im Grunde tun das alle jüngeren Geschwister. Aber falsch ist es nicht, die älteren denken ja auch immer sie seien etwas Besseres. Aber lassen wir das!

„Hey Jungs...“, meint ihr Vater etwas lauter. Damit zwingt er die beiden ihren Kampf der Blicke zu stoppen. Sie wenden nun ihre Aufmerksamkeit auf ihren Vater. „Haltet beide eure Klappe, ja?! Shiv, ich will nicht nach Hause, wenn ich euch hier allein lasse, dann geht hier sicher alles drunter und drüber.“, beginnt er. Shiv wendet sich zu seinem Vater. „Das stimmt nicht und das weißt du ganz genau. Lass deinen heiligen Laden doch nur ein paar Stunden in unserer Obhut. Du wirst es nicht bereuen. Abhi und ich schaffen das schon. Wir sind keine kleinen Kinder mehr!“ Sein Vater mustert Shiv, als habe dieser gerade die schlechteste Nachricht seit Jahren gesagt. Schließlich zieht er abschätzend eine Augenbraue in die Höhe und mustert seine zwei Söhne. „Wenn man euch so ansieht fragt man sich echt wer der dümmere ist. Der, der die größere Klappe hat, oder der der
nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.“ Shiv und Abhi schenken sich kurze Blicke. „Es ist besser ich bringe dich nach Hause, die Sonne scheint dir nicht zu bekommen, Vater!“, meint nun Abhi - ohne zu wissen, dass sein Vater eben genau mit diesem Argument geklagt hat. „Du hast wohl recht.“, entgegnet sein Vater und lässt sich von seinem jüngsten Sohn aufhelfen. „Ich bin bald wieder da.“, wendet sich Abhi wieder an seinen älteren Bruder, der nur nickt und erleichtert ausatmet. Endlich kommt sein Vater nach Hause. Er ist echt schlimm, manchmal.

Shiv hat nichts dagegen allein zu sein und ist eher froh, dass er mal ein paar Minuten für sich sein kann. Okay, außer es kommen Kunden. Es kommen allerdings nicht viele. Es ist reichlich wenig los. Was überhaupt kein Wunder ist, denn es beginnt bereits Abend zu werden. Und genau deswegen bekommt Shiv die Möglichkeit etwas nachzudenken. Oder, wie andere es nennen zu träumen. Sofort schweift er mit den Gedanken zu Esha. Er hat ja sonst nichts zu tun. Aber nun wird ihm endlich richtig klar, dass er mit ihr Freundschaft geschlossen hat. Er hatte bis zum heutigen Tag nie eine weibliche Person als seine Freundin bezeichnet. Nun gut, auch wenn er sich freut konnte er es eigentlich gar nicht. Was wenn Esha ihn gar nicht mehr sehen will? Was wenn sie immer so ist? Was wenn sie ihn morgen schon wieder vergessen hat? Was sollte er nun tun? Er weiß, dass er nicht auf sie zu kommen kann. Das wäre wirklich nicht sehr toll, wenn er dann vor einem Mädchen
stehen würde die ihn nicht erkennt und ihn fragt wer er denn sei.

Abhi kommt nach fast einer Stunde wieder, lässt sich geschafft auf dem Holzfass nieder, auf dem vor einer Stunde sein Vater gesessen hat. „Er ist unmöglich, Shiv.“, stöhnt er dann. Dieser wendet sich, nachdem er einem Kunden weiter geholfen hat und sich von ihm verabschiedet hat, an seinen Bruder. „Was? Wer denn?“ Abhi sieht zu seinem älteren Bruder auf, zieht dabei etwas klärend eine Augenbraue in die Höhe, als wolle er sagen 'Sag mal spinnst du, wo war ich denn die ganze Stunde?'. Diesen Blick deutet Shiv richtig. „Oh, du redest von Vater. Ja, das weiß ich doch.“ Abhi steht wieder auf, stellt sich zu seinem Bruder und will ihm nun helfen. „Glaubst du es kommt der Tag, an dem er nicht von Mutter redet?“ Shiv schüttelt mit dem Kopf. „Ich bezweifle es. Aber ich kann ihn auch verstehen!“ Abhi sieht zu seinem Bruder: „Ich nicht. Ich kann mich kaum an sie erinnern...“


Während die zwei Bruder ihrer Arbeit nach gehen kommt unter dessen ein junges Mädchen an ihren prachtvollem zu Hause an. Wer das ist? Natürlich Esha!

Versuchend ihrem Vater aus dem Weg zu gehen geht sie erst Mal ruhig und gelassen an den Personen vorbei die draußen stehen. Sie geht den Vorderhof hinauf und dann durch den großen Flur. Sie will eine Abkürzung machen und die erste Treppe hinauf gehen, anstatt die zweite weiter hinten im Haus, die nach dem großem Sprechsaal ihres Vaters hinauf führt. Und dennoch wird sie aufgehalten und das, weil jemand ihren Namen ruft.
„Esha Shalini Khanna.“ Esha kneift die Augen zu, verzieht das Gesicht und hält in ihrer Bewegung inne. Das heißt nichts gutes. Nein absolut nicht. Sie hört die Stimme ihres Vaters. Zum ersten er hör sich etwas sauer an und zum anderen er sagt immer ihren vollen Namen, wenn er sauer ist. Das kann nur eines heißen: Er IST sauer!

Esha hat sich fast gedacht, dass er sauer ist. Er ist es im Grunde zu recht. Er hat gesagt sie soll um acht zu Hause sein, weil sie meinte, dass sie sich noch mit Freunden treffen will nach der Uni und sie hat es ihm versprochen, dass sie um acht zu Hause ist. Es ist nicht das, dass er sie nicht länger raus lässt. Nein, das würde er auch, aber wenn er wüsste wo sie ist. Und wie spät ist es jetzt? Fast zehn. Mit einem entschuldigendem Lächeln dreht sich Esha nun zu ihrem Vater und lächelt ernst und fast schon unschuldig. „Vater, es tut....“ Ihr Vater schüttelt nur den Kopf, sieht sie ernst an und kommt auf sie zu. Er hat die Hände hinter dem Rücken und blickt seine Tochter ernst und sauer an. „Spar dir jegliche Ausrede, Kind. Wann hab ich gesagt, sollst du zu Hause sein? Wenn ich mich nicht irre, hatte ich acht Uhr gesagt und du hast es mir versprochen, Esha. Du wolltest um acht zu Hause sein. Wenn ich mich nicht auf dich verlassen kann, dann kann ich dich nicht mehr aus dem Haus lassen. Du weißt wie es ist, wenn Mädchen oder Jungen in deinem Alter noch so spät
außerhalb des Hauses sind. Du bist nicht irgendjemand, Esha. Versteh das doch endlich mal. Was ist wenn dir da draußen etwas passiert, wenn dir etwas zu stößt, wenn ein Junge dir zu nah kommt obwohl er es nicht darf. Du weißt nicht wie die Welt da draußen tickt. Esha, die Menschen wissen wer du bist.“

Esha sieht ihren Vater lange an. „Und wer bin ich, bitte?“, fragt sie dann. Man kann in ihrer Stimme die Enttäuschung erkennen die sie tief im Inneren spüren muss. Die Enttäuschung, dass sie anders ist, dass sie kein normales Mädchen ist, dass sie einfach nur ihres Namens wegen geliebt wird. „Wer du bist? Du bist Esha Khanna. Meine Tochter, die Tochter des wohl reichsten Mannes in der ganzen Stadt. Das ist gelogen, DES reichsten Mannes der ganzen Stadt. Esha versteh doch, dass ich mir nur Sorgen mache, dass ich nur das Beste will für dich, dass ich Angst um dich habe.“ Ihr Vater tritt auf sie zu, ergreift ihre Hand - die sie auf dem Treppengeländer abgelegt hat. Besorgt und mit einem warmen, väterlichem Blick sieht er ihr in die Augen.

Esha jedoch findet das alles andere als toll, schön oder gar erfreulich. Sie hasst es! Ja, sie hasst es die zu sein, die sie ist. Mit einem undurchdringlichem Blick zieht sie ihrem Vater ihre Hand unter seiner weg. „Und du, Vater, versteh doch, dass ich dieses Leben nicht führen will. Ich will nicht das ich Freundinnen habe, weil die auf mein Geld scharf sind, dass ich behandelt werde als sei ich sonst wer und am aller wenigsten möchte ich von dir behandelt werden als sei ich ein kleines Kind, dass am besten noch in sein Zimmer eingesperrt werden sollte. Vater ich bin 27 Jahre. Ich bin weiß Gott nicht mehr klein. Ich bin eine erwachsene Frau, die weiß was da draußen für eine Welt auf sie wartet.“ Esha klingt alles andere als ruhig, sie ist aufgebracht. Ja, sie ist fast schon wütend. Aber heute ist der erste Tag an dem sie ihrem Vater offen die Meinung sagt. Warum genau weiß sie selber nicht. Nie hat sie sich irgendwie falsch oder schlecht behandelt gefühlt. Ihr Vater lässt so
sicher nicht mit sich reden, das weiß Esha auch und deswegen kann sie auch die Veränderung ihres Vaters nicht mehr verhindern. „Wage es ja nicht so mit mir zu reden, junge Dame. Ich lass alles mit mir machen, das weißt du, aber ich dulde es nicht, dass du so mit mir redest. Du entschuldigst dich auf der Stelle, sonst werde ich sauer. Das kannst du mir glauben, Esha!“ Seine Augen funkeln, seine Stimme ist dunkler, kräftiger und vor allem fester geworden. „Nein, das werde ich nicht Vater. Ich habe alles was ich gesagt hab ernst gemeint. Es wäre falsch sich dafür zu entschuldigen.“, entgegnet Esha mit fester Stimme. „Das war absolut nicht das was ich hören wollte. Verschwinde!“ Er hält in seiner Aussage inne - und ja, er schreit. Sein Finger zeigt die Treppen rauf. Kein Angestellter befindet sich in der Nähe. Keiner.

Esha sieht ihren Vater fassungslos an, das kann doch nicht sein Ernst sein. Er gibt ihr doch jetzt keinen Hausarrest oder? „Ich sagte du sollst in dein Zimmer gehen.“, schreit er nun so laut, dass sich Esha in Bewegung setzt und die ersten Stufen mit schnellen Schritten hinauf tut. So geschockt wie sie durch seinen Aufschrei war, treten ihr nun die ersten Tränen in die Augen. Doch sie hält inne, dreht sich langsam um und sieht zu ihrem Vater, der sich wundert, dass sie stehen bleibt. „Ich kann Mutter nun gut verstehen. Ich kann gut verstehen, dass sie gegangen ist.“ Ihr Vater schnauft heftig auf. „Wenn du nicht in drei Sekunden in deinem Zimmer bist, dann komm ich dir da hoch. Ab in dein Zimmer, Esha!“, schreit er die letzten Worte.

Das einzige was anschließend im Haus zu hören sind, sind die drei Worte die wohl keine Eltern gerne hören. „Ich hasse dich!“ Esha knallt hinter sich ihre Zimmertür zu, lehnt sich daran und lässt sich anschließend an dieser hinunter zu Boden sinken um die Tränen an ihren Wangen hinunter sickern zu lassen…

Doch lange sitzt sie da unten nicht. Der Schock allein war es, der ihr die Tränen in die Augen getrieben hat. Sie ist zwar immer noch sauer, aber deswegen lässt sie sich nicht unterkriegen. Sie weint sehr selten. Wirklich wahr. Weinen ist eher ein Fremdwort für sie.
Mit zielstrebigen Schritten geht sie auf ihren Schreibtisch zu, setzt sich und legt ihre Sachen ab. Ihre Tasche natürlich neben dem Schreibtisch. Sie könnte jetzt Online gehen und mit einigen Leuten chaten, aber das will sie nicht. Die Person mit der sie schreiben würde ist eh nicht on, da ist sie sich sicher. Die kommt selten on - fast nie. Somit greift sie lieber zum Haustelefon und setzt sich auf ihr Bett, während sie schon dabei ist eine Nummer zu wählen. „Hallo?“ Esha atmet erleichtert aus. „Hey, Alisha. Ich bin es Esha! Warte kurz ich rufe noch Chalini und Geeta an, dann können wir alle reden.“ Alisha lacht. „Uhhh, wie eine Konferenzschaltung? Finde ich cool!“ Esha schüttelt nur kurz den Kopf, muss sich ein Lachen verkneifen. Alisha schafft es immer sie wieder auf andere Gedanken zu bringen. Nein, das schaffen alle ihre drei Freundinnen und aus genau dem Grund will sie ja jetzt mit ihnen telefonieren.

„Geeta? Chalini? ich bin es, Esha!“ Alisha klingt sich gleich mit an „Und ich bin es auch. Nur nicht Esha, sondern Alisha!“ Alle Mädchen sitzen in ihren Zimmern. Entweder hätten sie kleine Geschwister die wie immer mit zuhören wollen oder Eltern die zwar nicht freiwillig zu hören wollen, es aber dennoch tun würden. Aus dem Grund reden die vier Freundinnen besser in ihren Zimmern. „Gibt es einen bestimmten Anlass zu dem Anruf?“, fragt Geeta etwas verwirrt. Keiner der anderen Mädchen antwortet. „Esha?“ Diese blickt verwirrt in der Gegend umher. „Was denn?“ Alisha lacht wieder mal. „Na, du hast doch uns angerufen.“ Esha kräuselt die Stirn. „Ja und? Ist das schlimm? Habt ihr zu tun? Ich wollte einfach mal bei euch anrufen, mit euch reden. Ist das verboten?“, entgegnet Esha, etwas beleidigt. „Nein, absolut nicht!“, meint Alisha. „Selbstverständlich nicht. Aber...“, beginnt Geeta. „Warum sollte es uns stören, wenn du anrufst?“, erklärt unter dessen auch Chalini. Alle drei ihrer Freundinnen haben fasst gleichzeitig geantwortet, sodass sich das alles sehr lustig angehört hat. Aus dem Grund lacht sie nun auch. „Was aber Geeta?“, will Esha dennoch wissen, wenn auch mit einem Lachen. „Aber du rufst eigentlich nie
ohne Grund an. Vor allem nicht alle von uns drei!“, erklärt sie.
„Was soll ich denn groß zu erzählen haben, wir waren doch erst bis vor kurzem die ganze Zeit zusammen. Da hab ich schon alles erzählt. Glaub ich!“, meint Esha dann etwas in Gedanken. „Echt? Soll ich aufzählen?“, entgegnet Chalini fragend. Alle anderen beginnen zu lachen. „Nur zu!“, meint Esha dann. „Okay, du hast erzählt wie du die Uni fandest, dass dich unsere Klassenlehrerin aufgeregt hat, dass dir unser Sportlehrer zu sexistisch ist, dass unsere Mathelehrerin kein Mathe kann und das unser Hindilehrer besser in Pension gehen soll, als versuchen sollte uns Hindi bei zu bringen. Dann hast du dich über einige Bewohner in der Innenstadt beschwert und auch lustig gemacht nach dem du fast eine halbe Stunde Verspätung hattest und uns bis her immer noch nicht gesagt hast warum.“
Okay, da war der Punkt wieder der alle aufhorchen lässt. Esha zieht die Mundwinkel nach hinten, vielleicht hätte sie Chalini doch nicht erlauben sollen, dass sie aufzählt. Nun ist es zu spät. Allerdings ist von Geeta ein „Ahaaa“ zu vernehmen und Alisha entfährt ein „Stimmt, sie hat recht!“

„Leute... Ich, also wisst ihr. Lasst uns morgen darüber reden ja?“ Esha scheint total durch den Wind zu sein. Sie versucht ihre Freunde ab zu wimmeln. Aber warum? Ist ihr das zusammenstoßen mit Shiv etwa peinlich? Und wenn ja warum? Ach, quatsch. Einer Esha Khanna ist doch nichts peinlich. Das muss Einbildung sein. Aber was, wenn ihre Freundinnen ihn kennen lernen wollen? Und ihn dann nicht so sympathisch finden wie sie. Findet sie ihn denn sympathisch? Nein, das ist wohl eher der falsche Ausdruck. Sie findet ihn süß - auf eine Art wie sie einiges süß findet - und er ist ein sehr zuvorkommender junger Mann. Er muss außerdem in ihrem Alter sein. Ungefähr.
„Esha. Erde an Esha! Fräulein Khanna, leben sie noch oder schwärmen sie schon!?“, scherzt Alisha. „Ich schwärme nicht. Wo denn, wann denn und woher willst du das denn wissen, dass ich schwärme und von was überhaupt?“, glaubt Esha sich verhört zu haben. Sie und schwärmen? Von Shiv? Die Frage ist eher die, warum sie überhaupt an ihn denkt. Jungs waren ihr schon früher egal. Und das sind sie ihr heute auch noch. Eigentlich.

„Nun ja, weißt du, du bist selten so abgeschweift oder in Gedanken. Nicht, dass du jetzt doch an Jungs denkst!“, beginnt nun auch Geeta. Sie ist neugierig, das war sie schon immer. Alisha wollte lediglich nur einen Scherz machen. Und Chalini schweigt, weil sie sich Sorgen um Esha macht.

„Jungs? Welche Jungs?“, fragt Esha jedoch verwundert und verwirrt. „Na, du hast doch vorhin, wie wir in der Stadt waren, erzählt, außer dass dich unsere Lehrer und der Unterricht stört, dass dir unsere Jungs auf den Wecker gehen. John würde dich immer pausenlos anstarren, Sameer hätte dir gesagt, dass er dich mag und Ajay würde jede Gelegenheit ausnutzen um mit dir zu flirten.“ Esha verdreht die Augen, schwankt dann etwas mit dem Kopf hin und her. „Ja, das stimmt schon. Aber die drei können mir doch gleichgültig sein. Habt ihr mich jemals über Jungs reden hören?“ Schweigen auf den anderen Seiten der Leitung. „Ganz ehrlich, nein!“, kommt es dann gleichzeitig von allen drei anderen Mädchen. „Esha, aber...“, will Chalini nun anfangen.

„Nichts aber... Es ist echt nichts!“, unterbricht Esha ihre Freundin. „Und warum zum Henker rufst du uns dann an? Ich hätte mich schon längst fertig machen können. Tarun hat sich mit mir verabredet!“ Ein Raunen erhalt nun das Telefonat. „Oho, davon hast du uns ja gar nicht erzählt!“, wirft Geeta ein. Esha ist etwas beruhigt, das Gespräch ist nun auf Alisha und Tarun umgeschwangt und nicht mehr auf ihr Thema. Wenn sie auch nicht weiß, welches Thema das war...

„Was sind denn Tarun und ich wichtig? Er hat mich gefragt ob ich Lust hab mit ihm am Abend ins Kino zu gehen und ich hab zu gestimmt.“, erklärt nun Alisha. „Ja, kein Wunder, du wartest ja auch schon lang genug scharf darauf, dass er dich anspricht.“, meint nun Chalini altklug. „Ja und?“, beginnt Alisha zu schmollen. „Nichts na und. Sei froh, dass du so gut aussiehst, die Jungs laufen dir hinter her und natürlich Esha. Und was ist mit mir und Chalini?“, meint nun Geeta. Sie ist etwas beleidigt, was man ja überhaupt nicht hört - Ironie Gefahr! „Gönnt doch Alisha mal ihr Glück. Und denkt nicht ihr seit hässlich, das seit ihr nicht. Ihr seit wunderschöne Mädchen, wenn das kein Junge schnallt ist er es nicht wert.“, meint nun Esha. Sie weiß nicht mal warum sie Alisha gerade hilft. „Und wo wir gerade bei Jungs sind. Ich wollte eigentlich noch erfahren was oder wer dich aufgehalten heute Nachmittag. Nicht zufälliger Weise ein Junge?“, wirft nun Alisha wieder ein - die das doch glatt wieder Mal vergessen hat. Esha lenkt auch immer so gut von einem Thema ab. „Nun ja. Also...“, beginnt Esha erneut zu stottern, was ihr noch nie passiert ist. Seit dem
heutigem Tag jedenfalls nicht. „Ohhh, das klingt aber gewaltig danach, dass es ein Junge war. War es John? Oder Sameer? Oder doch Ajay?“, will Alisha weiter wissen. Geeta und Chalini sind ebenfalls neugierig, kommen bei Alisha jedoch nicht zu Worte. „Nun, es ist...“, beginnt Esha vorsichtig. „...Wolltest du dich nicht mit Tarun treffen?“, unterbricht sie sich dann selber.

„Das hat Zeit, so dringend muss ich nicht weg. Ich hab alle Zeit der Welt, nun erzähl endlich.“, meint Alisha wieder. „Es ist keiner der drei, man. Nun nervt mich nicht damit, das geht euch nichts an.“
Eine ganze Weile ist es mehr als leise. Ihre Freundinnen sagen kein Sterbenswörtchen. Und genau das ist es, was Esha zur Weißglut bringt. Ihre Freundinnen wissen ganz genau, dass Esha nichts für sich behalten kann oder will. Sie ist im Grunde total anders gerade, als sonst. Seit wann verheimlicht sie ihren Freundinnen etwas? Sie erzählt ihnen alles und das ohne zu zögern. Und genau das tut sie nun auch.

„Es ist kein Junge aus unserer Uni, ich hab ihn auf dem Markt getroffen. Er heißt Shiv. Er ist wahnsinnig nett und sehr zuvorkommend, echt ein Gentleman, dabei kenne ich ihn erst sei heute. Ich bin mir allerdings sicher, dass ich ihn vorher schon mal gesehen hab. Er muss in der Gegend wohnen, wenn er nicht auf unsere Uni geht, dann muss er wohl auch auf dem Markt arbeiten. Er ist echt total anders als die Jungs auf unserer Uni. Er ist ein ganz süßer!“ Eshas Freundinnen lassen sich mal wieder gewaltige Zeit mit einer Antwort. Etwas anderes hat sie nicht erwartet. Aber nun ist ihr das auch egal. Sie hat nichts zu befürchten, wenn ihre Freundinnen Shiv nicht mögen. Das müssen sie nicht, sie mag ihn und das reicht. „Und wann stellst du ihn uns vor? Ich muss ihn
erst mal sehen um dir das zu glauben!“, meint Alisha. „Sag mal spinnst du?“, entgegnet Esha. „Sie hat recht.“, stimmen die anderem zwei zu. „Ähm...“, beginnt Esha nun.

Ein klopfen an der Tür kommt ihr gerade recht. „...Ich muss auflegen, es hat gerade an meiner Zimmertür geklopft. Wir sehen uns morgen.“ Sie will gerade auflegen, da erklingt allerdings Chalinis Stimme: „Du wirst ihn uns morgen also vorstellen?“, will sie wissen. „Ja, ja, ja. Aber nun tschüss.“

Wie sich Esha gerade zur Tür dreht, den Hörer auf die Station legt und die Person vor der Tür herein bitten will hält sie inne. Sie sieht auf das Telefon, überlegt, was sie da gerade gesagt hat und schüttelt verzweifelt mit dem Kopf. Sie hat doch tatsächlich gerade zu ihren Freundinnen gesagt, dass sie ihnen morgen Shiv vorstellt. Das kann sie nun echt nicht fassen. Warum spricht sie eigentlich immer eh sie denkt? Eine Eigenschaft die sie an sich nicht ausstehen kann. Sie atmet noch einmal tief ein und wieder aus, eh sie sich wieder der Tür zuwendet. Wobei ihr gleich wieder einfällt, dass sich nur eine einzige Person vor der Tür stehen kann. Und zwar ihr Vater. Den Streit hätte sie, dank dem Gespräch mit ihren Freunden auch schon fast wieder vergessen. Sie steht somit von ihrem Bett auf, geht auf ihren Schreibtisch zu und lässt ein entnervtes und ziemlich mies klingendes „Herein!“ verlauten. Ihr Blick ist nicht auf die Tür gerichtet, im Gegenteil. Sie sieht zu ihren Sachen hinunter.

„Schpatz?“, meint ihr Vater, der vorsichtig den Kopf in das Zimmer steckt und zu seiner Tochter sieht. Esha sieht etwas finster und misstrauisch zu ihrem Vater. „Was ist?“, will sie wissen, als sie bereits ihren Kopf wieder hinunter auf ihre Schulsachen lenkt. „Kann ich kurz mit dir reden?“, fragt ihr Vater, kommt in das Zimmer rein und schließt hinter sich die Tür. „Ich will meine Aufgaben machen, Dad. Nicht jetzt, ja!?“, meint sie dann, etwas gleichgültig. Warum sollte sie mit ihrem Vater reden, wenn sie sauer ist? Auch wenn sie weiß, was er ihr sagen will. „Komm schon, Schpatz. Du bist doch nicht ernsthaft sauer auf mich!?“, entgegnet ihr Vater, ernst und dennoch liebevoll - als sei er plötzlich ein total anderer Mensch. Aber nein, das ist er nicht. Genau DAS ist ihr Vater. Das ist Eshas Vater. Er ist etwas eigen und kann auch sehr oft dazu gebracht werden laut zu werden. Was nicht immer an Esha liegen muss, es kann an seinem Tag liegen, an Gesprächen mit seiner Frau - die, wie man erfahren hat, nicht mehr hier ist. Esha atmet schwer ein und dreht sich, ausatmend, auf ihrem Stuhl zu ihrem Vater. „Papa, du willst dich doch nicht etwa entschuldigen?“, stellt sie seiner Frage eine Gegenfrage.

„Doch ganz genau das hab ich vor. Aber nur um dazu profitieren. Ich möchte, dass auch du dich entschuldigst.“, beginnt ihr Vater. Esha sieht ihn lange an, hat aber auch nicht vor etwas zu antworten. Sie wartet darauf, dass ihr Vater weiter redet. Das tut dieser dann auch. „Okay, ich fange an. Du weißt, dass ich mir nur Sorgen um dich mache, Esha. Es ist nicht einfach auf alles gleichzeitig zu achten. Auf dich, auf die Arbeit und auf die ganzen Probleme die noch dazu kommen. Deine Mutter hatte angerufen, weil sie mit dir sprechen wollte. Ja und auch da kam es dann wieder dazu, dass sie mir vorgeworfen hat, dass ich nicht mal eine Ahnung hätte wo du hin gehst. Aber du sagst ja auch nichts. Ich kann nicht verantworten dich raus zu lassen und dann nicht mal von dir erwarten, dass du pünktlich wieder kommst. Das geht nicht.“ Esha zieht eine Augenbraue in die Höhe. „Abgesehen davon, dass du und Mutter euch ständig in den Haaren habt wegen mir kann ich nicht verstehen, warum du immer nur willst, dass ich zu Hause bleibe. Ich habe Freunde Vater, ich will nicht nach der Uni nach Hause kommen und den Rest des Tages in meinem Zimmer versauern, weil du noch Besprechungen hast. Was das Entschuldigen geht. Ja,
was ich gesagt habe war echt nicht nett, aber ich war sauer und da geht es eben mit mir durch, das weißt du doch.“ Ihr Vater tritt vorsichtig auf sie zu. „Du hasst mich also nicht?“ Esha beginnt liebevoll zu Lächeln. „Wie könnte ich nur? Ich hab hier doch niemanden außer dir.“, meint sie dann. Ihr Vater erwidert das Lächeln, nur das er nun mehr als erfreut zu sein scheint. Er umarmt seine Tochter und haucht ihr dann einen Kuss auf den Scheitel auf. „Und was ist mit deiner Mama?“, fragt er vorsichtig. „Was soll mit ihr sein?“, will Esha verwundert wissen, versteht nicht ganz den Zusammenhang. „Na, du hast doch eben gesagt, dass du außer mich keinen hast!?“, hilft er ihr etwas auf die Sprünge. „Nein ich habe gesagt ich habe HIER keinen außer dir. Oder willst du etwa, dass ich zu Mama ziehe? Willst du mich los werden?“, fragt Esha dann verwundert. Sie sieht mit großen Augen zu ihrem Vater auf, als habe er das alles schon längst beschlossen. „Erzähl doch
keinen Unsinn, Schpatz. Ich will dich natürlich nicht los werden, was denkst du denn?“, entgegnet ihr Vater nur beruhigend, woraufhin Esha es ist, die ihn nun umarmt.

Esha und ihr Vater reden noch eine ganze Weile, eh ihr Vater auf die Uhr sieht, vor Schreck fast aus allen Wolken fällt und ihr dann sagt, dass er noch einige Anrufe machen muss. Esha sieht ihrem Vater mit einem Lächeln hinter her, doch hält ihn schließlich noch mal auf. „Papa...?“, beginnt sie fragend. Ihr Vater dreht sich, mitten im Raum, noch einmal zu ihr und sieht sie liebevoll und dennoch fragend an. „...Wenn ich Abends mal etwas länger weg bleiben möchte würdest du es mir erlauben?“, fragt sie dann schließlich. Ihr Vater sieht sie nun eher ernst als erfreut an. „Esha, das ist ein Thema...“ Esha sieht ihn enttäuscht an, ihr Vater übersieht den Blick nicht und hält in seiner Aussage inne. „Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen, ja!?“, erklärt er dann. Esha nickt nur mir dem Kopf.

Ihr Vater verlässt ihr Zimmer, sie dreht sich wieder an ihren Schreibtisch, versinkt kurz darauf wieder in ihren Aufgaben. Aber das auch nicht lange, schließlich plagen sie eigenartige Gedanken, sodass sie vom Schreibtisch weicht und mit ihrem Schreibtischstuhl zurück an ihr Bett fährt. Sie lässt den Kopf nach hinten sinken, schließt die Augen und versucht mal etwas von ihren wirren Gedanken los zu kommen. Das einzige was geschieht ist, dass ihr die Erinnerung an zwei Reh-braune Augen kommt. Solle ihr das zu denken geben? Woher soll sie das nur wissen?

Nach wenigen Minuten steht sie auf und tigert nachdenklich in ihrem Zimmer auf und ob - ohne zu wissen, warum sie das tut.


Während dieser Zeit stehen Shiv und Abhi noch an ihrem Stand - obwohl es der der Familie ist und nicht ihr eigener. Sie könnten sich auch etwas anderes vorstellen als Tag ein und Tag aus hier zu stehen. Aisblidung? Ja, doch die zwei GINGEN zur Schule und dann zum College. Doch da keiner der beiden groß Studieren musste um an einen Stand etwas zu verkaufen und da der Beruf in der Familie lag hatten sie keinen Grund länger weiter Schule zu machen. Und im Grunde wollten sie nicht studieren, keiner der zwei hat
sich je weitere Gedanken gemacht etwas anderes zu tun. Sie haben schon als kleine Kinder mit geholfen, das sogar gerne. Jetzt ist es das womit sie BEWUSST ihr Geld verdienen. Wenn sie eine andere Kindheit gehabt hätten, wer weiß was sie sich da für Jobs ausgesucht hätten. Sie selber wüssten jetzt nicht was zu ihnen passen würden. Was aber das Problem an diesem Job ist, ist, dass sie in jeder Jahreszeit hier stehen dürfen, ob es draußen mal etwas kälter ist oder nicht. Zum Glück leben sie in Indien.

„Du Shiv...“, beginnt Abhi, sitzt wieder mal auf seinen vier Buchstaben - wortwörtlich. Er sieht von Awani zu seinem Bruder auf. Shiv sieht von den Stoffen zu seinem jüngerem Bruder auf. „Was gibs?“, will er unbekümmert wissen. „...Warum hast du eigentlich keine Freundin?“, will Abhi wissen. Man sollte nebenbei wissen, dass außer dass er etwas faul ist, etwas vorlaut und auch sehr direkt ist, er außerdem noch mehr als neugierig ist. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man es so sagen: 'Neugierig' ist sein zweiter Vorname. Aber da sich Abhi Neugierig Mathur nicht besonders traditionell und schön anhört bleibt es bei Abhi Mathur. Außerdem wussten seine Eltern bei seiner Geburt ja noch gar nicht, dass ihr jüngster Sohn mal so neugierig werden würde. Aber wenn man sich das auf der Zunge zergehen lassen würde: Passen könnte es oder? Naja, wenn man es dann mit
viel Anstrengung sagt.

Shiv sieht seinen kleinen Bruder etwas überrascht an, ihm fällt aber keine Antwort darauf ein - die Frage ist schließlich berechtigt. Und dennoch Abhi kann sich glücklich schätzen, dass Shiv gerade nichts getrunken hat, das hätte ziemlich nass werden können. Zum Spaß von wahrscheinlich Shiv und auch Awani - die sehr gerne lacht.

„Was siehst du mich so an? Ich hab meine Frage ernst gemeint!“, erklärt Abhi und ist kurz davor zu schmollen. „Nun hab dich nicht so, ja!? Ich hab ja noch gar nichts gesagt!“
„Dein Blick hat gereicht, Shiv.“ Abhi verschränkt die Arme vor der Brust. Shiv zieht hingen dazu eine Augenbraue in die Höhe, stimmt was nicht mit seinem Bruder? „Stimmt was nicht mit dir?“, fragt er auch schon, nachdem er genau das selbe gerade erst gedacht hat. „Nein, absolut nicht. Du bringst meine Freundin dazu, über mich zu lachen, das ist echt einfach nur unterste Gürtellinie. Ich hab nichts dagegen, wenn die ganze Welt über mich lacht, aber sicher etwas wenn es meine große Liebe tut. Das ist schlimmer für mich, als wenn ich dir beim Sterben zu sehen müsste!“ Abhi klingt vollkommen ernst, das ist er auch. Aber Shiv wird stutzig. „Muss ich jetzt sterben?“, fragt er dann mit großen Augen. Abhi schaut wieder zu seinen Bruder auf, steht dann rasch auf und springt regelrecht in seine Richtung, umfasst dessen Hals mit seinen großen Händen und rüttelt etwas an
ihm, sodass Shiv ihn erschrocken ansieht. „Wenn du weiter so machst, dann ja!“

Shiv sieht ihn weiter an, dann etwas hilflos in der Gegend. Schließlich hebt er die Hände hoch. „Okay, okay. Ist gut, ich gebe auf, sage nichts mehr und... und...“ Abhi unterbricht ihn. „Und machst meiner Freundin klar, dass ich nicht zum Lachen bin!“, faucht er dann etwas ernst und gefährlich. „Genau und sage deiner Freundin, das du nicht zum Lachen bist - das selbe wollte ich auch gerade sagen. Könntest du mich dafür nur vielleicht los lassen, wenn du weiter so machst bringst du mich echt noch um, ich spüre ja schon kaum noch den Boden unter meinen Füßen.“, ächzt Shiv schon regelrecht. Abhi lässt nun von ihm los, während Shiv sich schließlich den Hals etwas abtastet - ob er noch ganz dran ist. Scheint allerdings alles in Ordnung zu sein.

Nachdem Shiv ganz sicher ist, dass sein Kopf noch zu ihm und seinem Körper gehört sieht er zu seinem Bruder. Der allerdings wartet geduldig - hat immer noch das Lachen seiner Freundin im Ohr. Seinen Bruder blickt er allerdings an als wolle er sagen 'Wenn du jetzt nicht redest, dann mache ich weiter wo ich aufgehört hab'. Da Shivs Hals ihm allerdings ziemlich heilig ist wendet er sich nun den Stand schräg gegenüber zu. Der Gemüsestand der Sharmas ist nicht weit entfernt, man muss quasi nur um den eigenen Stand herum und dann etwas schräg laufen und schon steht man vor dem der anderen. Shiv richtet seinen Blick auf das lachende Mädchen. Er kennt Awani, genauso lange wie seinen Bruder. Ganze 25 Jahre. Sie und Abhi waren schon früher unzertrennlich und bereits früher schon füreinander geschaffen. Was der eine nicht wusste, wusste der andere. Die zwei ärgerten ihn pausenlos, da mussten sie ja noch nicht mit arbeiten, während Shiv mit 8 schon häufig mit half. Er tat es freiwillig, seine Eltern zwangen ihn nie zu arbeiten. Aber Abhi und Awani waren wie Pech und Schwefel, ab und an wie Feuer und Wasser und schließlich
sind sie wie Romeo und Julia. Wie schon erwähnt: Unzertrennlich. Shiv lächelt allerdings wie er Awani immer noch lachen sieht, sie scheint sich kaum noch beruhigen zu können. Abhi findet das nicht toll, wippt bereits mit dem Fuß auf dem Boden. So ungeduldig ist er. Nach einer Weile der Stille, in der Shiv immer noch nichts sagt, schnellt Abhis Hand hoch, trifft Shivs Schulter und lässt dessen Blick nach hinten gehen, ihn entsetzt mustern und seine schmerzende Schulter halten. „Nun mach endlich. Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!“, mahnt Abhi ihn nun. Shiv nickt nun und dreht sich wieder zu Awani.

„Kleine Lady...“, beginnt er dann. Der beste Spitznahme den er für sie gefunden hat, bereits als sie 13 war hat er sie so genannt. Sie war zwar schon eine 'kleine Lady' aber rotzfrech zu ihm, als sei sie noch 7. Awani verstummt mit einem Mal, sieht ihn ernst an, mit einem leichten funkeln in den Augen. Sie nimmt ihm diese Anrede nicht böse, im Gegenteil, sie weiß, dass Shiv sie nicht hasst oder derartiges. „...Hör mal, der Bursche neben mir, Abhi ist sein Name, narrt an dir... ähm... ist
vernarrt in dich - so wars. Klingt auch gleich viel besser. Okay! Um es auf den Punkt zu bringen, so wie du es sicher schon zum 50 Mal heute hörst, liebt der Junge dich. Und wenn du über ihn lachst, nur weil ich ihm vor Entsetzen nicht antworten kann, dann tut ihm das weh. Sehr weh, weißt du. Ein Mann mag es nicht ausgelacht zu werden, zu mindestens nicht von seiner Herzdame, wenn er nicht selber mit lachen kann. Verstehst du was ich mein?“

Abhi sieht seinen Bruder verwundert an, Awani nickt nun mit einem verliebten Lächeln – das natürlich Abhi gilt nicht Shiv - doch Abhi sieht seinen Bruder weiterhin an. „Und zu dir...“, wendet sich Shiv um, um Abhi endlich zu antworten. Abhi hebt die Hand. „Lass gut sein, ich weiß, dass deine Herzdame irgendwo in dieser Stadt wohnen muss. Es gibt sie, da kannst du mir sagen was du willst. Es gibt sie!“