Kapitel 3

Karan & Kamini

„Du Schatz, findest du es nicht besser Mal etwas Pause zu machen...?" Kamini und Karan sind auch endlich auf dem Weg nach Hause, nach der Nachtschicht, etwa gegen 6 Uhr morgens - da wo Preety und Prem bereits wieder schlafen. Karan blickt zu seiner Freundin herüber, mustert sie etwas unwissend und fragend und sieht dann wieder auf die Straße. Sie sitzen in seinem Wagen und bis eben haben sie beide geschwiegen. „Wir machen doch Pause... Wir haben jetzt fast 16 Stunden Zeit eh wir wieder arbeiten müssen..."

„Warum arbeiten wir die Nachtschichten, du weißt wie ich diese hasse. Und du weiß auch, dass ich das nicht meine mit Pause machen...", entgegnet Kamini. Sie verschränkt die Arme vor der Brust und sieht etwas beleidigt hinaus aus dem Fenster. Karan kommt an ihrem Haus an. Nein, es ist seines. Es ist nicht groß, aber es reicht für sich und seine Familie. Nun ja, die die er sich aufbauen will wohl eher. Karan steigt aus, geht um den Wagen, öffnet die Beifahrertür und reicht Kamini seine Hand. Kamini ergreift seine Hand, nachdem sie ihn etwas sauer angesehen hat. Dann lässt sie sich von ihm aufhelfen, er zieht sie anschließend weiter zu sich um die Autotür zu schließen. Schließlich drückt er sie leicht zum Auto hin, sieht ihr tief in die Augen und lächelt viel sagend. „Und was meinst du dann mit Pause machen?", will er schließlich wissen, übergeht den Rest des Gespräches. Kamini beginnt schwach zu lächeln. „Du weißt genau, was ich damit meine...", erklärt sie nur. Karans Blick wird ernster. „Du weiß, dass das nicht geht..."


Er ergreift erneut ihre Hand, zieht sie dann mit sich - nachdem er hinter ihr sein Auto abgeschlossen hat. Im Haus angekommen, lässt sich Kamini einfach hinter sich her ziehen. Kamini sieht an die Wände im Flur. Reichlich beschmückt sind diese nicht. Nur einige Familienbilder von Karan hängen an den Wänden. So lange wohnt Kamini hier auch noch nicht mit ihm zusammen. Vorher hatte sie sich eine Wohnung genommen gehabt, wie sie hier in der Stadt nach einem Job gesucht hatte.


Karan löst sich wieder von ihr, betritt dann das Wohnzimmer auf dessen Sofa er sich breit macht und den Fernseher an macht. Kamini bleibt zurück, sieht ihm nach. Sie stöhnt einmal verächtlich auf, dann marschiert sie nach oben. Sie geht ins Schlafzimmer holt sich Sachen für die Nacht - oder eher fürs Schlafen gehen. Im Bad duscht sie erst einmal und zieht ihr kurzes, enges Nachthemd an. Nach dem sie fertig ist geht sie hinunter zu ihrem Freund. Dieser sieht immer noch in den Bildschirm. Da läuft gerade etwas über Prem und seiner unbekannten Begleiterin und über den Raubüberfall. Kaum 3 Stunden später kommt es bereits überall. Sicher kann man es heute Nachmittag in den Zeitungen lesen. Das hasst Kamini an diesem Job. Nichts bleibt lange geheim. Das sieht doch so aus, als sei die Polizei zu nichts zu gebrauchen. Allerdings wird wiedermal über Karan geredet. Sie fragt sich inständig, wer Karan Khanna nun noch nicht kennt? 'Er hat es mit Prem allein aufnehmen wollen...' hört sie noch, eh sie sich neben das Sofa stellt. Ihr Blick jedoch geht zu Karan, der ihr nur kurz einen Blick schenkt, sie anlächelt und dann wieder nach vorne sieht, nachdem er ihr andeutet sich zu setzen.


Das tut Kamini schließlich auch, ohne wirklich lange zu zögern. Sie setzt sich direkt neben ihn, legt die Beine hoch, sodass ihre freien Beine zu sehen sind. Karan achtet nicht darauf, der achtet auf den Fernseher. „Schatz?...", beginnt Kamini. Karan gähnt einmal. „Mhhh?", macht er schließlich. Ihn scheint nun doch die Müdigkeit zu ergreifen. „Was ist dir wichtiger? Unsere Beziehung oder dieser Auftrag Prem zu fangen?" Karan sieht Kamini fassungslos an. Okay nun spinnt sie aber. Was denkt sie von ihm? „Natürlich du, was dachtest du denn?", meint er dann, legt ihr einen Arm um die Schulter und haucht ihr einen Kuss seitlich auf den Kopf. Kamini sieht zu ihm, ihn lange an. Er sieht wieder nach vorne. Nun reicht es Kamini. Sie setzt sich auf, legt schließlich ein Bein über seine Beine und zieht sich weiter auf, sodass sie nun direkt vor ihm und auf seinen Beinen sitzt. „Und warum willst du keine Pause machen, die Zeit mit mir verbringen? Mit mir allein... Karan, ich will nicht nur arbeiten... Ich meine, du machst keinen Urlaub mehr. Du arbeitest pausenlos. Ich mach mir Sorgen!" Karan sieht nun zu Kamini, presst die Zähne aufeinander und blickt sie lange und ernst an. „Du hast ja recht, aber..."


„Nichts aber..." Kamini kommt ihm näher, legt ihren Oberkörper an seinen - schmiegt sich weiter an ihn. „Wir sind schon seit fast 6 Monaten zusammen und du hast nichts anderes im Kopf als Prem zu fangen, seit diesen 6 Monaten hast du keinen Urlaub gemacht... Karan das geht nicht an!" Karan sieht zu ihr auf. Wenn sie wüsste! „Ich mache seit etwas mehr als ein Jahr schon kein Urlaub mehr. Du hast ja keine Ahnung. Ich jage diesen Mistkerl schon über ein Jahr...", meint Karan dann. Ihm ist egal, was Kamini vor ihm vor hat, ob sie kurze Sachen an hat oder ob sie ihm schöne Worte ins Ohr flüstert - was sie ja eigentlich vor hatte. Kamini steht etwas sauer auf. „Weißt du was..." Karan unterbricht sie einfach. „Ich weiß einiges, du jedoch zu wenig. Lass uns nicht streiten, Kamini... Ich bin müde, ich gehe hoch, wenn du müde bist dann komm nach vergiss bitte nur nicht den Fernseher auszustellen..."


Karan dreht sich um, geht hinauf und atmet schwer ein und aus. Das laute Ausatmen hört Kamini, aber sie nimmt es ihm nicht böse. Sie ist wahrscheinlich zu weit gegangen. Prem scheint ihm schon zu Kopf gestiegen zu sein. Sie lächelt plötzlich...


Nach einigen Minuten, in denen sich Karan bereits ins Bett gelegt hat, kommt nun auch Kamini ins Schlafzimmer. Sie kommt unter die große Decke und schmiegt sich an Karan, legt ihm die Arme um den Körper um ihren Kopf auf seiner Schulter abzulegen. „Schatz...", haucht sie ihm dann ins Ohr. Karan hört sie, hat die Augen aber geschlossen. Sie will ihn, wie so oft, um Verzeihung bitten. „Mhhh...", macht er schließlich um zu zeigen, dass er sie hört und ihr auch weiter zuhören will. „Es tut mir echt leid, Schatz...", beginnt sie dann vorsichtig, fährt ihm mit der Hand über die Brust. „...Ich möchte nicht, dass du sauer bist... Aber ich möchte einfach nur, dass du mal vergisst, was da mit Prem ist, was generell mit der Polizei immer alles auf dich zu kommt..." Karan atmet schwer aus. „Kamini, Liebling... Versteh mich doch, die anderen brauchen mich, ich muss immer erreichbar sein..." Kamini hält in ihrer Bewegung inne. „Die Arbeit ist dir wichtiger, als ich, Karan. Du kannst mich nicht anlügen!"


„Was ist wenn ich dich nicht anlüge und dir sage, das mir vieles und viele wichtiger sind als du?" Kamini stockt nun, weicht völlig von ihm zurück. Karan allerdings dreht sich lachend zu ihr um, öffnet die Augen dabei und stützt die Hand auf dem Bett ab, sieht zu Kamini hinunter, die nun mit dem Rücken auf dem Bett liegt und den Blick zur Seite gewendet hat. Sie versteht sein Lachen. Es ist nur ein Spaß. Aber warum klang seine Aussage so ernst, so verdammt Wahrheitsgemäß? Das alles hier ist absolut nicht einfach, wie sie feststellen muss...


„Das glaubst du mir jetzt doch nicht oder?"

„Was wenn doch?" Kamini schaut ihren Freund immer noch nicht an. Er jedoch senkt den Kopf, haucht ihr seine Lippen in den Nacken, der sich ihm einfach gerade anbot. Kamini schließt die Augen. „Karan...", beginnt sie dann leise. Dieser löst sich von ihrem Nacken. „Versteh mich einfach, wenn ich sage, dass ich nicht einfach so aufhören kann... Mein Herz hängt an diesem Job."


Wie wahr dieser Satz doch ist... Davon hat Kamini allerdings Null Ahnung.

Und Karan von etwas anderem auch nicht.


„Darf ich nun schlafen?"

„Was? Warum? Ich dachte du wolltest..." Etwas entrüstet wendet sich Kamini zu ihrem Freund. Dieser kommt wieder mit dem Gesicht zu ihr hinunter, ergreift mit der Hand ihre Wange, schiebt sie - ihre Haare ergreifend - bis zu ihrem Nacken, eh er ihr einen Kuss auf die Wange gibt, ihr dann noch mal tief in die Augen sieht und dann wieder auf seine alte Position zurück legt. Kamini schüttelt den Kopf, dreht sich zur anderen Seite und schließt die Augen. Sie schläft schnell ein, was an der Arbeit liegen könnte.


Karan hingegen kann nicht schlafen. Noch nicht...


Seine Augen sind geöffnet, starr auf einen Punkt ihm gegenüber auf der Wand gerichtet. Der Punkt ist schwarz. Das stört ihn nicht. Seine Gedanken allerdings sind alles andere als schwarz. Sie erhalten Farben. Zu viele Farben, zu viele Dinge. Sein Magen spielt verrückt. Dabei ist ihm nicht schlecht. Ihm geht es wohl nur nicht besonders gut. Es ist dieses Ziehen im Magen, wenn man weiß, dass etwas Schlimmes einen beherrscht, einen nicht richtig denken lässt. Er würde jetzt fluchen, Sch*** und Fuck sagen. Aber er sagt es nicht. Er will Kamini nicht wecken und damit anderes oder Streit hervorrufen. Er will nicht immer diskutieren müssen, nicht immer wieder Späße machen um sie zu besänftigen. Er will nichts anderes als sein altes Leben zurück!


Karan vergisst alles, der Blick auf die Wand schwindet. Er fühlt das seine Augenlider schwer werden und versinkt. Versinkt im Schlaf, einer Trunkenheit die dich kontrolliert. Die bestimmt wo es lang geht, was du sehen sollst, was du sehen darfst und was du hören sollst. Niemand weiß den nächsten Tag ober er geträumt hat - auch wenn er sich daran erinnert. Träumen tut man täglich. Und Karan hat gerade jetzt das Pech, das der Traum realer scheint als er soll - als er vor allem es jetzt soll...


Karan dringt indische Musik an die Ohren. Er weiß wo er sich befindet, weiß was er gedacht hat zu diesem Zeitpunkt und genau das alles erlebt er gerade. Er lächelt, sieht hinunter. Zwei Hände haben seine ergriffen. Er ist typisch indisch gekleidet. Eine Seltenheit was ihn betrifft, was seine Arbeit betrifft. Was die Arbeit der Person ihm gegenüber betrifft. Ihm gegenüber steht eine Frau, das weiß er. Aber sie... sie ist verschwommen, nicht zu erkennen. Aber er sieht sie, er weiß ganz genau wer vor ihm steht. Seine Freundin! Ihre dünnen Finger schlingen sich um seine, sie schmiegt sich an ihn. Ihr Körper dicht an seinem, er kann ihn spüren kann ihn berühren wenn er es wollen würde. Er tut es nicht, weil er weiß, das er ihr gehört, dass der Körper sein ist. Und es immer sein wird. Er spürt es, sie lächelt ebenfalls, sieht zu ihm auf. Er versinkt in ihren Augen, verspürt den Drang sie zu küssen. Doch er weiß, dass sie etwas sagen will. Ihre Augen sprechen bereist zu ihm, erklären ihm, dass er schweigen soll. Und er tut es. „Ich liebe dich, Karan. Ich liebe dich mehr, als alles andere auf dieser Welt. Ich will den Rest meines Lebens an deiner Seite verbringen, mit dir zusammen sein, an schlechten Tagen und an guten. Ich liebe dich, Karan... Ich liebe dich so sehr!"


Karan öffnet schreckhaft die Augen. Sieht sich um. Nichts. Ein leeres Zimmer, jedenfalls noch so als er eingeschlafen ist. Sein Blick geht nach oben, sein Kopf geht in den Nacken. Er erkennt die Ziffern auf dem Wecker. 8:44 Uhr. Er dreht sich im Bett um. Da liegt sie. Kamini... Seine Freundin! Er streicht ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die ihr ins Gesicht fiel wie sie sich wieder auf den Rücken gedreht hat. Leise steht er auf, geht ans Fenster. Mumbai ist bereits wach. Ein hektisches Treiben ist auf den Straßen zu erkennen. Karan sieht sich das Ganze eine Weile an, bis er etwas heißes und nasses an der Stirn bemerkt. Er fast sich an die Stirn, wischt sich mit der Hand dem Auge entlang die Flüssigkeit fort. Schweiß. Er schließt die Augen, geht einen Schritt nach vorne, berührt die kühle Glasscheibe und legt den Kopf an das kühle Glas.


Nach einigen Momenten der Stille, der Ruhe und des angenehmen Gefühls verzieht er plötzlich das Gesicht. Sein Traum scheint ihm nicht bekommen zu sein. Er löst sich vom Fenster, von der Straße, vom Geschehen außerhalb. Er verlässt leise das Zimmer. An Schlafen ist jetzt nicht zu denken. Aber er weiß das er es nochmal muss heute, aller spätestens 4 Stunden eh er wieder zur Nachtschicht muss. Wenn Kamini nicht will, soll sie hier bleiben. Das wird sie aber nicht. Ihr scheint der Job schon wichtig zu sein. Karan schüttelt den Kopf - er weiß, dass er ihr eben nicht wichtig ist.


Egal... Es gibt Schlimmes. Sein Traum zum Beispiel. Leise macht er sich auf den Weg nach unten, er will Kamini nicht wecken. Es könnte ihn nicht kümmern, dass er sie damit wecken würde. Aber sie würde sich nur Sorgen machen, diskutieren wollen, ihn dann schließlich sicher zwingen wollen aufzuhören nach Prem zu jagen. Aber das kann sie vergessen. Er wird diesen Bastard hinter Gitter bringen, wenn es sein Leben kosten wird. Das ist es ihm wert. Karan ist klar, dass es hier schon lange nicht mehr um einen Job geht, hier geht es um seine Ehre. Und um einiges mehr geht es hier. Prem hat ihn schon so vieles gekostet. Das wird er sicher nicht mit sich machen lassen. Er hat es satt - endgültig. Karans Weg führt ihn in die Küche, wo er sich einen Kaffee macht und sich dann an die Kücheninsel lehnt. Den Kopf legt er an die geschlossene Schranktür hinter ihm. Er schließt die Augen erneut...


Nach keinen zwei Minuten öffnet er seine Augen wieder. Er löst den Kopf von der Schranktür und sieht hinunter in das dunkle etwas, was sich in seiner Tasse befindet. Er verzieht das Gesicht. Er trinkt davon und umfasst die Tasse dann mit beiden Händen. Was soll das alles? Warum träumt er von ihr?


Das ergibt doch alles keinen Sinn, er nimmt erneut einen Schluck seines Kaffees. Schwer atmet er ein und wieder aus, den Blick weiter in seiner Tasse. Schließlich hat er keine Lust mehr auf seinen Kaffee und schüttet den Rest in den Abguss. Er setzt sich an den Tisch, kramt vorher in den Küchenschubladen und sucht einige Papiere. Total vertieft in diesen - in denen es um Prem geht, was wohl ganz klar war - vergisst er völlig die Zeit. Er vergisst den Traum, vergisst, dass er bereits seit 9 Uhr wieder wach ist und vergisst, dass seine Freundin jeden Moment runter kommen könnte. Das tut sie aber nicht. Doch die Stunden rauschen nur so an ihm vorbei. Gehen um. Die Uhr hinter ihm an der Küchenwand, die bei jeder Sekunde einen Ton von sich gibt ignoriert er gekonnt. Er hört sie einfach nicht. Dieses nervige Tick, tick, tick bei jeder Sekunde würde jeden anderen wahnsinnig machen. Aber er ist so sehr damit beschäftigt durch Prems Taktik durch zu steigen, dass sein Kopf bereits anfängt zu qualmen.


Wenn sein Kopf ein Computer wäre würde dieser sicher gerade durchdrehen, nur noch Mist schreiben und schließlich ein lautes Surren von sich geben eh er in die Luft geht und in tausend Einzelteilen zerspringen würde.


Kamini kommt nach fast weiteren 5 Stunden erst in die Küche. Sie sieht etwas verschlafen durch den Raum. Sieht die offene Schublade, dann weiter zu der einzigen Tasse auf der Spüle, dann weiter zum Küchentisch. Dort bleibt sie auf einem bestimmt Punkt haften, dieser Punkt hängt über Blättern, die auf dem ganzen Tisch verteilt sind. Immer wieder schweben die Blätter über den Tisch zu einer Ecke, dann wieder zurück um das nächste Blatt zur selben Station kommen zu lassen. Schließlich hält der Punkt inne, lässt einen lauten Stöhner durch die Lippen gleiten und weicht im Stuhl zurück. Der Punkt hebt seine Arme, fährt sich durch die Haare und hält in der Bewegung inne wie seine Hände am Nacken ankommen. Der Punkt lässt den Blick zur Seite schweifen und hält inne, wie er Kamini sieht.


Vorsichtig lächelt Kamini, kommt auf ihren Freund zu und legt ihm hinter ihm die Arme um ihn. Er hat unter dessen seine Hände wieder hinunter sinken lassen. Er ergreift nun die Hände von ihr und lehnt sich zurück, an sie. „Na, hast du gut geschlafen?", fragt er dann ruhig. Kamini nickt mit dem Kopf, was er an seiner Wange bemerkt - da ihre an seiner liegt. „Ja, danke. Und du?"

„Eher weniger. Bin schon etwas wach!"

„Wie lange denn?", will Kamini wissen, als sie sich wieder von ihm löst und sich umdreht. Sie hat Durst und vor allem Hunger. Sie hat seit über 15 Stunden nichts mehr gegessen. Getrunken schon. Den Kaffee im Polizei-Büro. Der hat ihr gereicht, was das angeht. Einen Kaffee kann sie jetzt sicher nicht mehr trinken. Und sie hat ehrlich gesagt auch keine Lust dazu. Sie geht an den Kühlschrank holt einige Dinge raus um etwas zu Essen zu machen und holt sich hinzufügend noch einen Orangensaft, sie muss etwas trinken - eben nur keinen Kaffee, der hängt ihr inzwischen zum Halse heraus. „Willst du auch etwas essen, Schatz?"

„Du musst mir nicht extra etwas machen. Ich kann mir gleich selber was machen!"

„Es ist kein Problem, etwas für dich mit zu machen, wenn ich eh schon dabei bin etwas zu Essen zu machen. Das heißt, du hast Hunger, hab ich das richtig verstanden?"

„Schatz, wenn du mir etwas mit machst, dann bin ich dir sehr dankbar. Sonst mach ich mir selber etwas zu Essen, wenn ich gleich fertig bin. Sterben durch selber Kochen werde ich nicht!"


Kamini lacht herzhaft auf. „Das hoffe ich, ich brauch dich noch etwas!", erklärt sie dann. Sie beginnt stellt einen Topf mit Wasser auf den Herd und lässt es köcheln, dann tut sie den Reis in das Wasser. Die Soße macht sie erst zum Schluss, eh die fertig ist und der Reis noch länger braucht. Unter dessen setzt sie sich Karan gegenüber. Sie sieht hinunter zu den ganzen Blättern. Schließlich nimmt sie sich eines und sieht nach wenigen Sekunden - wie sie sich die ersten Sätze durchgelesen hat - an diesem vorbei zu Karan. „Du bist total verrückt. Kein Wunder, dass du schon so lange wach bist. Du und dein Prem!" Karan sieht kurz zu ihr auf. „Das ich schon wach bin hat einen anderen Grund."


„Und welchen Grund?"

„Das willst du gar nicht wissen!"

„Du hast recht!" Kamini steht wieder auf. Warum wusste Karan, dass sie nicht lange warten würde? Ihr ist es wirklich egal. Sie braucht es nicht hören. Sie braucht nie etwas hören, wenn sie es nicht hören will. Und sie weiß, dass sie das sicher nicht hören wollte. Karan beschäftigt sich weiter mit seinen Papieren. Irgendwie hat er Lust zu arbeiten, auch wenn er kaum geschlafen hat. Um seine anderen Gedanken ab zu wimmeln würde er alles tun. Prem ist fällig, das ist ihm klar und alle die etwas mit ihm zu tun haben eben so. Karan hat es satt - endgültig. Aber das ist ja schon bekannt.


Ein Jahr lang schon... Karan schüttelt den Kopf. „Braucht der Reis noch lange?", fragt er plötzlich. Er will seine Gedanken verdrängen. Die Gedanken, die über ein verdammtes Jahr lang schon mit Prem zu tun haben. Kamini verzieht verwirrt die Augenbrauen in falten. Karan weiß, dass sie Reis macht ohne das sie es gesagt hat, ohne dass er sich umdreht. Warum auch nicht? Den Reis riecht er bereits. Auf diese Antwort kommt Kamini allerdings wenige Sekunden auch, wie der heiße Dampf ihr entgegen kommt. „Es scheint so... er lässt sich jedenfalls einige Zeit!"

„Reis braucht immer lange!"

„Warum fragst du mich dann?"

„Einfach, weil ich es wissen wollte!"

„Oder weil du Hunger hast!"

„Das auch!" Kamini beginnt zu lachen, dreht sich wieder um, lehnt sich an die Kochinsel und sieht zu Karan. Betrachtet ihn eine ganze Zeit. Das bekommt dieser allerdings nicht mit. Er will es gar nicht mit bekommen. Er versucht sich auf entweder ihre Antworten zu konzentrieren, oder eben auf Prem. Nur das Prem schlimmer wäre.


Nach fast einer halben Stunde ist das Essen dann doch noch fertig. „Okay, ich glaub jetzt müsstest du nur deine Papiere weg räumen..."

„Meine?"

„Ja, meine sind es sicher nicht!"

Ich hab sie von meinem Chef bekommen, somit gehören sie..."

„Dir!"

„Unterbreche mich nicht... Nein, gehören sie uns allen. Ich hab sie, weil alle der Meinung sind ich werde mit ihnen einfacher fertig, würde schneller durchsteigen. Tja, aber da haben sich die anderen gewaltig geschnitten. So einfach ist es dieses Mal nicht!"

„Egal... Lass uns darüber gleich diskutieren ja? Ich will ja nur, dass diese Blätter vom Tisch kommen!"

„Ich bin ja schon dabei, Schatz. Keinen Grund zur Aufregung."

„Ich rege mich doch gar nicht auf!"


Kurz drauf schüttelt sie lachend den Kopf. „Du bist verrückt!"

„Ist das nicht ein Grund, warum du mich so liebst?", will Karan amüsiert wissen und spielt verführerisch mit seinen Augenbrauen, wie Kamini vor ihm die Schüssel mit dem Reis und der Soße auf dem Tisch abstellt. „Oh, ja...", beugt sie sich dann zu ihm und haucht ihm einen Kuss auf die Wange auf, wie er seine Wange in ihre Richtung hält. „Dann hau rein, Karan!"

„Ich hau sicher nicht ins Essen. Ich wollte das Zeug da in der Schüssel essen, erst wenn es mir nicht schmeckt kann ich es ja schlagen!" Kamini schüttelt nun etwas verzweifelt, dennoch leise lachend, mit dem Kopf. „Du bist total irre."

„Eben war ich verrückt, jetzt bin ich irre. Was kommt noch?"

„Bis jetzt noch nichts. Du hast noch etwas Zeit dich zu steigern!", erklärt sie dann keck und setzt sich ihm gegenüber, wie sie schließlich noch zwei Teller und Besteck geholt hat.


Die zwei beginnen zu essen, reden dabei allerdings reichlich wenig. Nein, das ist gelogen. Sie reden gar nicht. Jeder hängt seinen Gedanken nach, doch Karan bekommt das nicht.0


„Was hast du gleich vor, Schatz?"

„Ich glaub ich leg mich etwas raus, in die Sonne, und lese dabei ein gutes Buch. Warum?"

„Ich frage nur!"

„Oder hattest du etwas vor?"

„Was?" Karan schreckt etwas verwirrt hoch. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Kamini ihn fragt, ob er etwas vor hatte. Was soll er denn großartig vor haben? Außer vielleicht total verzweifeln. Da fällt ihm wieder was ein. Zwar muss das gerade etwas warten. Aber egal. Er beginnt etwas schneller zu essen, was ihm nicht auffällt, dafür seiner Freundin. „Ich hab gefragt ob du etwas mit mir vor hast? Wolltest du weg fahren? Oder..." Da Karan mit dem Kopf schüttelt akzeptiert Kamini das als Antwort und beobachtet ihn etwas. Er wird schneller und schneller, als ob er es eilig hätte irgendwo hin zu wollen. „Schatz? Was ist denn mit dir los? Wenn du weiter so schnell isst, dann hast du gleich Magenschmerzen!"

„Das passiert schon nicht."


Karan beendet schließlich sein Essen, nachdem er den Teller geleert zurück und weiter auf den Tisch schiebt. „Ich bin fertig und gesättigt, danke Schatz. Darf ich gerade kurz aufstehen? Ich bin gleich wieder da!?" Fragend sieht er seine Freundin an, diese nickt vorsichtig und lässt ihn gehen. Karan springt schon regelrecht vom Stuhl und rennt die Treppen hinauf.


Im Schlafzimmer angekommen springt er über das Bett, das ihm im Weg steht zu seinem Schrank. Neben dem großen Schrank an der Wand hinten im Raum steht in der Ecke ein Stuhl, auf dem hat Karan immer seine Sachen liegen. Aus dem Grund nimmt er die Hose, die er gestern getragen hat und kramt dort nach seinem Timer.


Interessiert schaut sich Karan seine Nachrichten an, wandert dabei nach hinten auf das Bett zu. Wie er dieses an seinen Beinen spürt lässt er sich auf das Bett nieder und schaut weiter gespannt auf das kleine Ding vor ihm, in seinen Händen. Er geht eine Nachricht nach der anderen durch. Bis er zur letzten Nachricht kommt. Plötzlich durchzieht es ihn eiskalt. Er ist wie erstarrt, sein Blick liegt auf den Zeilen, den kleinen Buchstaben die ihm helfen sollen. Sie helfen ihm auch. Aber sie bringen ihn nicht weiter. Im Gegenteil. Sie lassen ihn eher aufstöhnen und verzweifeln. Er klappt den Timer wieder zu, lässt sich nach hinten auf das Bett fallen und schließt die Augen.


„Shit..." Das war erwartet. Jeder konnte ahnen, dass er das sagt, nach so einer Nachricht. Das würde heißen, dass heute Abend genug los sei. Alle Nachrichten hatten natürlich mit seiner Arbeit zu tun. Doch die letzte hatte besonders gesessen. Es scheint, als ob alle mit Prem unter einer Decke stecken. Es ist zum verzweifeln. Dieser Ganze Mist scheint ihm nun wirklich wie ein Teufelskreis. Irgendwas stimmt hier doch nicht, irgendwas läuft gewaltig schief.


Karan hat die Hand über die Stirn gelegt, die Augen immer noch geschlossen. Er ist nicht müde, im Gegenteil. Das geht auch nach solchen Nachrichten nicht. Seine Gedanken kreisen um Prem, wie wohl immer, aber diese Gedanken kommen nicht zu Antworten. Es scheint ihm, dass dieser Kerl gerissener ist, als ihm lieb ist. Er müsste ihn schon längst haben und genau das macht ihn momentan so rasend. Er kommt zu keinen Antworten, dabei müsste er sie schon längst haben. Er müsste eigentlich schon lange wieder normal leben können, normal hinter anderen Dieben, Gangstern, Serienkillern und anderes her sein. Aber nein, dank Prem kommt nun alles auf einmal. Keine Sorge, noch ist nichts gravierendes passiert, aber Karan ist sich sicher, dass das nicht mehr lange dauert. Doch der Gedanke macht ihm Angst, wahnsinnige Angst. Diese Angst frisst ihn in diesem Moment gerade zu auf. Nur die Vorstellung allein treiben den wohl stärksten Mann, den die Polizei hat, Tränen in die Augen. Karan Khanna allerdings zeigt seine Tränen nicht, jedenfalls ungern. Aber er ist allein, wenn er wollen würde könnte er anfangen wie ein kleines Kind zu weinen. Doch das tut er nicht. Aus dem einfachen Grund, weil es Prem dann ja noch befriedigen würde, weil es ihn stolz machen würde, weil er genau das will - dass Karan schwach wird.


Doch da hat Prem die Rechnung ohne Karan gemacht. Er ist kein Weichei. War es nie und wird es nie sein. Es soll einer wagen nur etwas falsches zu machen, etwas was Karan nicht passt. Vor allem in diesem Fall, den er gerade hat. Egal wer es wäre, er würde mit seinem Leben bezahlen. Das schwört Karan...


Seine Hand ballt sich zur Faust, der Karan ist wieder da, der er er einmal war. Einmal ist schon fast 20 Jahre her. Da war er ganz plötzlich allein, allein auf sich gestellt. Seine Vergangenheit wird ihm keiner nehmen, wird ihm keiner wieder geben können. Aber jetzt wo er in die Zukunft sehen kann, wo er es will, will er nur eines sehen: Rache für alles was ihm angetan wurde. Sein Berufswunsch kam nicht auf Wunsch von jemanden anderes. Er hat es selbst gewollt, er wusste schon mit 10 Jahren was er werden wollte. Jeder kennt die alte Geschichte. Ein kleines Kind verliert seine Eltern durch einen brutalen Zwischenfall. Sie waren nicht mal beteiligt, sie wurden einfach in die Sache mit rein gerissen. Karan will nicht einmal daran denken, nicht darüber sprechen. Aber er wird immer wieder damit konfrontiert, wenn ein Fall ihm misslingt, wenn er einen Mörder, einen Dieb oder so etwas wie Prem - für so was hat Karan keine Bezeichnung - nicht hinter Gitter bringt, nicht weiß, dass sie unschuldigen Menschen nichts mehr anhaben können; dann kann Karan ziemlich besessen werden. Obwohl das Wort das falsche ist. Und immer dann denkt er an seine Eltern. Diese Geschichte hat er bis her nur einer Person erzählt: Seiner Freundin!