Kapitel 12

Post aus Mumbai

Als dann nach wenigen Tagen wieder die Schule beginnt, läuft alles wieder wie vorher ab. So muss es auch so kommen, dass Arian und Priya kaum Zeit finden um zu reden. Außer in der Schule sehen sie sich kaum, nur Priya und Suhana haben ihre Telefonate nicht unterlassen. Und so reden sie jeden zweiten Tag mit einander und am Wochenende treffen sie sich in der Stadt. Die Tage ziehen sich wie Gummi und dennoch bleibt allen kaum Zeit um sich über irgendetwas Gedanken zu machen.


Gerade hat Priya das Telefon wieder auf dem Tisch abgelegt und zieht sich die Jacke an.
„Wo willst du hin?“, fragen Shierley und Lalita im Chor und schauen von ihrer Beschäftigung auf. „Ich gehe raus, etwas frische Luft schnappen, wenn das gestattet ist, meine neugierigen Mitbewohnerinnen!“, entgegnet sie und öffnet bereits die Tür. „Ja geh du nur, mit gehen ist ja eh nicht gestattet!“, meint Shierley missmutig und schaut wieder auf ihr Heft. „So sieht es aus. Wir sehen uns nachher!“, meint Priya und schließt die Tür hinter sich.
„Was sie nur hat!?“, fragt Lalita und lehnt sich in ihre Kissen zurück, Shierley zuckt nur ahnungslos mit den Schultern.

Priya hingegen ist gerade unten angenommen und geht den Schulhof entlang.  Es ist schon spät und so auch dunkel, der Wind weht ihr um die Ohren und trotz Jacke ist ihr kalt, sodass sie die Arme um ihren Oberkörper schlingt. Sie geht einige Straßen weiter und merkt gar nicht, dass sie schon über zwei Stunden in dieser Kälte herum läuft. Ungewollt läuft sie in eine Person und während sie ein kaum hörbares „Entschuldigung!“ vor sich hin nuschelt, fragt sie sich warum sie immer in jemanden hinein laufen muss.
„Einen schönen Abend, Priya! Auch auf der Suche nach Antworten?“, fragt nun eine ihr sehr bekannte Stimme. Und freudig blickt sie nun hinauf zu ihm. „Arian!“, lächelt sie dann und geht einen kleinen Schritt zurück. Dann nickt sie und blickt kurz an ihm vorbei. „Ja bin ich und wie ich sehe du auch, denn du bist ohne Begleitung!“
„Komisch das ich gerade dir begegne!“, meint er. „Denn ich musste gerade an dich denken!“, vervollständigt er den Satz in Gedanken. „Gehen wir ein Stück zusammen?“, fragt er dann und geht einige Schritte voraus. Sie nickt lächelnd und folgt ihm.
Stumm geht sie neben ihm her und meint es wäre genau der Richtige Zeitpunkt um zu reden. „Wolltest du es mir heute sagen? Wenn sich die Gelegenheit schon bietet!“, fragt sie und blickt ihn kurz an. „Was meinst du?“, fragt er und zieht eine Augenbraue in die Höhe, während er sie fragend anschaut. „Na, du wolltest mir doch das letzte Mal etwas sagen, als wir mit Suhana und Sanjay in der Stadt waren!“, ruft sie ihm wieder in Erinnerung. Arian überlegt kurz, doch schon fällt es ihm wieder ein.
„Ich weiß nicht...“, fängt er an, blickt kurz nach vorne und dann wieder zu ihr. „Komm schon Arian, so schlimm kann es doch nicht sein! Wovor hast du angst?“, fragt sie leicht lachend. „Davor, dass du mich hassen könntest und mir aus dem Weg gehst. Ach, da ist so viel, was mir angst macht!“, erklärt er. „Du hast angst? Ich wusste gar nicht, dass du dieses Wort kennst!“, meint Priya und runzelt die Stirn, obwohl ihr dazu gar nicht zu Mute ist.  „Ja, auch ich habe angst...“, bestätigt er. „Und wovor hast du hast angst? Was ist der Grund?“, fragt sie, bleibt dann stehen und schaut ihn auffordernd an. Auch er bleibt stehen, schaut sie aber nicht an. „Du würdest es nicht verstehen!“, meint er dann nur und dreht sich nun zu ihr. „Was würde ich nicht verstehen? Wenn du es mir nicht sagst, dann kann ich es auch nicht verstehen. Also sag es doch einfach. Ich will es wissen!“, sagt sie und schaut ihm in die Augen. Nach kurzer Zeit erwidert er ihren Blick und kommt langsam auf sie zu. „Bist du sicher, dass du es hören willst?“, fragt er vorsichtshalber nach. Sie nickt leicht mit dem Kopf. „Ja...“, haucht sie dann, von seiner Nähe berauscht, ohne zu wissen warum. „Aber bitte hasse mich nicht.“, fängt er dann an, schaut kurz zur Seite und dann wieder ernst in ihre Augen. „Priya, ich...“

„Priya!“, wird er dann unterbrochen. Shierley und Lalita kommen auf die auf die zwei zu. „Priya, wo warst du denn, du...“, meint Shierley und entdeckt erst jetzt Arian. „Oh Herr Mukherjee, was machen Sie denn noch um diese Uhrzeit draußen?“, fragt sie dann entzückt und hat ihre Freundin bereits vergessen. Lalita schaut zu Priya, die denn Blick immer noch fragend und wartend auf Arian hat, doch dieser blickt nun zu Shierley und versucht zu lächeln. „Nun ja, frische Luft tut gut. Und da dachte ich mir, gehe ich einfach mal raus und genieße sie!“, fängt er dann an und blickt dann zu Priya. „Aber ihr müsst entschuldigen, ich muss wieder zurück!“, meint er dann und hat den dreien auch schon den Rücken zu gewandt.

„Gott, er hat mit mir geredet, so wie du es mir gesagt hast, Priya! Habt ihr das gesehen?“, fragt Shierley aufgeregt und dreht sich dann zu ihren Freundinnen. Lalita ist nun so einiges klar geworden. „Ach, Shirley! Lasst und zurück gehen!“, meint sie dann und dreht Priya an den Schultern um, um sie zum Kolleg zu führen. Diese lässt sich mit ziehen, doch blickt sie sich noch einmal um. „Was er wohl sagen wollte? Ich hätte es nur zu gern gehört!“ Sie hat eine leise Ahnung, doch weiß sie nicht ob sie sich da sicher sein kann.


*****


Einige Tage später sind Arian, Suhana und Sanjay gerade von der Stadt gekommen und nehmen die heutige Post mit ins Haus.
„Mama, Papa, wir sind wieder da...“, ruft Sanjay ins Haus rein, während Arian vor ihm die Briefe durch geht. Und bei einem der letzten stoppt er, der Absender lässt in nachdenken und so legt er die anderen Briefe auf die Anrichte. Er öffnet den Briefumschlag und faltet den Brief auseinander, seine Freunde sind ebenfalls aufmerksam geworden und schauen ihm nun über die Schulter. Gemeinsam lesen sie sich die Nachricht durch, damit haben sie nun wirklich nicht gerechnet, vor allem nicht jetzt.
Arian lässt den Brief sinken, starrt auf den Boden, seine Hände immer noch in der selben Position. Sanjay und Suhana schauen den Brief nach, der kurz danach von Baldev aufgehoben wird. Dieser liest sich nun auch erst mal alles durch und sein Gesicht hellt sich von Zeile zu Zeile auf. „Na endlich! Kinder wisst ihr was das heißt!?“, meint er erfreut.
Die drei nicken nur, wissend warum ihnen nicht nach grinsen und einem freundlichen Lächeln ist.
„Endlich kann die Hochzeit statt finden!“, ruft er dann wieder erfreut aus umarmt seine Frau und geht danach zurück ins Wohnzimmer. „Wir müssen sofort Rajesh und Geeta benachrichtigen!“
Arian geht ohne ein Wort nach oben, Suhana schaut Sanjay an und folgt Arian dann mit schnellen Schritten.

In seinem Zimmer findet sie ihn auf, er holt bereits Taschen und alles mögliche heraus.
„Was zum Teufel machst du da, Arian?“, fragt sie und legt eine Hand auf seine Hemden die er gerade in der Tasche verstauen möchte. „Nach was sieht es wohl aus? Wir haben die Zusage bekommen, ich werde jetzt schon gehen! Macht ihr zwei was ihr wollt, ich lasse mir die Chance nicht entgehen!“, meint dieser dann nur kühl. „Das hat nichts mit Chance zu tun, mein Lieber! Du fliehst vor der Wahrheit. Du willst gehen ohne Priya zu sagen, dass du sie liebst!“, entgegnet Suhana scharf. Arian hält mitten in seinem Vorhaben inne und blickt dann mit großen Augen zu Suhana. „Ich würde nichts mehr bewirken können. Egal was ich mache! Und...“, beginnt er und setzt sich dann aufs Bett. Er schaut einfach auf den Boden, den Tränen nah und als ihm das klar wird spürt er zum ersten Mal wie es sich an fühlt zu lieben, von ganzem Herzen zu lieben.
„Was und?“, fragt Suhana, setzt sich neben ihn aufs Bett und schaut ihn dabei an. „Und außerdem weiß ich nicht einmal ob Priya mich auch liebt. Was wird sie denken, wenn ich zu ihr gehe und zu ihr sage „Priya ich liebe dich!“? Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie mir sagen wurde, dass sie mich nicht liebt.“, meint er dann, kaum hörbar wie ein leises verzweifeltes Flüstern. Suhana hat Arian in all den Jahren noch nie so verzweifelt gesehen, sie kann ihn nicht verstehen, was hat ausgerechnet er bei so etwas bedenken? „Priya, wäre dumm, wenn sie deine Liebe nicht erwidern würde! Du bist ein liebenswerter Mensch, Arian und das weiß sie sicher auch. Aber was bringt es dir jetzt zu gehen? Glaubst du, du könntest sie dadurch vergessen? Ich glaube da ist Hopfen und Malz verloren. Du liebst diese Frau und wer das nicht sieht hat echt Tomaten auf den Augen!“, meint Suhana und legt ihm ihre Hand auf den Rücken. Eine einzelne Träne bahnt sich den Weg aus seinen Augen, er blickt nun zu Suhana auf und lächelt gequält. „Arian? Du weinst ja.“, meint sie dann, etwas geschockt, und wischt ihm dann die Träne weg. „Ich danke dir Suhana! Danke!“, haucht er dann und schluchzt dann etwas auf um Suhana anschließend zu umarmen.


*****


Da das Telefon klingelt, geht Rajesh, der auf einem Sessel im Wohnzimmer sitzt, dran. „Hallo, hier Familie Kapoor!“, meint er knapp. „Ja, mein Freund, ich bin es! Was gibt es denn?“, fragt er dann weiter. Neben Rajesh sitzt seine Frau und versucht nun zu hören um was es in dem Gespräch geht.
Priya ist oben, da sie ihre Eltern und Schwestern für das Wochenende besucht. Von dem Gespräch unten hat sie noch nichts mitbekommen, da sie oben bei ihren Schwestern sitzt.
„Das ist ja eine tolle Nachricht! Ich werde sie gleich weiter geben! Auf wieder hören!“ Rajesh legt das Telefon an die Seite und schaut dann zu seiner Frau, die ihn neugierig anschaut. „Was hat Baldev gesagt?“, fragt sie dann. „Ach, nichts wichtiges!“, fängt er an zu grinsen. „Nur, dass die Hochzeit stattfinden kann!“, beendet er seinen Satz immer noch lächelnd. „Oh das ist ja wunderbar! Priya, Liebes, komm mal runter!“, ruft sie dann erfreut nach oben. Kurze Zeit später kommt Priya die Treppe runter und geht ins Wohnzimmer. „Ja, Mutter, was gibt es denn?“, fragt sie neugierig. „Wir haben gerade einen Anruf von der Familie Talwa bekommen. Die drei haben ihre Bestätigung für das Filmgeschäft. Und das heißt, die Vorbereitungen für Sanjays und deine Hochzeit können beginnen!“, lächelt ihre Mutter sie freudestrahlend an. Priya blickt vom Boden auf, schaut ihre Eltern ungläubig an. „Was? Jetzt schon?“, fragt sie dann stockend, sie spürt die heißen Tränen die in ihren Augen zu brennen beginnen. „Ja, eure Prüfungen haben doch schon längst begonnen. Bald bist du fertig und eine Woche später kann dann eure Hochzeit stattfinden.“

Unglaubwürdig schüttelt Priya mit dem Kopf, sie glaubt zu träumen, das darf doch nicht wahr sein. Tränen lösen sich aus ihren Augen und unbemerkbar wischt sie sie weg. Sie überlegt, das wäre dann in 3 Wochen. Nein, das träumt sie nur.
„Mama, Papa, ich werde wieder zurück ins Kolleg gehen, morgen geht die Schule weiter!“, meint sie mit erstickter Stimme und greift zur Jacke um dann das Haus zu verlassen.
Ihre Eltern stehen immer noch lächelnd im Wohnzimmer und sind damit beschäftigt sich bereits Gedanken zu machen wie es weiter gehen kann, bei den Organisationen der Hochzeit.
Priya schließt die Tür hinter sich und lässt den Tränen nun freien Lauf, aber warum macht sie die Nachricht nur so fertig? Das Einzige was sie sich im erste Moment fragt ist, warum es ihren Eltern egal ist, wie sie über all das denkt? Sie hat überhaupt nichts gegen Sanjay, er ist ein netter Freund und genau da liegt das Problem, ein netter Freund! Aber sie kann sich einfach nicht vorstellen ihn zu lieben, zu heiraten und dann morgens mit einem Lächeln auf zu stehen. Nur der Gedanke daran lässt ihr Herz in Tausend Stücke zerreißen. Der Gedanke, dass da vielleicht jemand anderes neben ihr liegen könnte den sie liebt und der sie liebt. Sanjay zu heiraten wäre zwar keine Folter aber mit etwas anderem verglichen ähnelt es der Folterei schon. Doch sie gibt nicht Sanjay die Schuld und auch nicht ihren Eltern, die ihre Gefühle ja gar nicht wissen, sondern sich selbst weil sie niemandem sagt, was sie denkt oder fühlt. Aber wenn sie es selbst nicht einmal weiß, wie soll sie es dann anderen erklären?
Mit leisen und schleichenden Schritten geht sie den Flur des Kollegehauses entlangum in das Zimmer von ihr zu gelangen, dort wo ihre Freundinnen bereits warten. Hoffentlich bringen die zwei sie auf andere Gedanken. Fast eine Stunde hat sie nun gebraucht um das Kolleg zu erreichen, als sie es betritt ist sie erleichtert endlich da zu sein. Sie atmet noch einmal tief ein und aus, wischt sich die Tränen so gut es geht weg und fängt bereits vor der Zimmertür an zu lächeln, sodass die zwei nicht gleich mit Fragen ankommen.

„Und wie war es zu Hause?“, fragt Shierley die gerade an ihr vorbei läuft. „Es war ganz in Ordnung!“, entgegnet Priya mit einem Lächeln und steuert dann ihr Bett an. „Was hast du denn schönes gemacht?“, frag dann Lalita, während Shierley hinter ihr ins Bad geht. „Shierley, beeile dich bitte, ja? Ich möchte auch noch rein! Ach, nun ja ich hab ein wenig mit meinen Eltern und meinen Schwestern geredet!“, antwortet Priya dann, nachdem sie Shierley noch hinterher gerufen hat. Dann drehte sie sich mit dem Rücken aufs Bett und schaute Gedankenverloren an die Decke.


*****


Arian löst sich wieder aus der Umarmung seiner Freundin und lächelt sie an. „Arian, bitte ich kenne dich so gar nicht. Lass wenigstens deine Tränen verschwinden. Ich würde dir nur zu gerne helfen, aber...“, fängt Suhana an und ist selbst den Tränen nahe. „Du sollst ihm doch nicht helfen. Wie oft hab ich dir gesagt, er soll selbst das machen, was er für Richtig hält!“, beendet Sanjay etwas boshaft ihren Satz und schließt die Tür hinter sich.
Suhana steht nun auf, Arian hingegen krallt die Hände ins Laken und schaut zu Boden. „Siehst du nicht, wie er leidet!? Du bist mir echt ein guter Freund!“, meint Suhana dann und schaut Sanjay an. „Er hat immer in solchen Sachen selber gehandelten! Er wird sicher wissen, was Richtig ist und was zu tun ist!“, entgegnet Sanjay und blickt Suhana an.
„Hört doch auf ihr zwei. Es gibt keine Gründe wegen mir zu streiten!“, zischt nun Arian ebenfalls boshaft und springt vom Bett auf. Suhana und Sanjay drehen sich zu ihm. „Setz dich wieder!“, meint Suhana und zieht ihn dann an denn Schultern wieder aufs Bett.
„Du weißt was das Richtige ist!?“, meint sie dann und kniet sich vor ihn. „Nein! Ich weiß gar nichts. Ich weiß nur eins und zwar das ich für sie sterben würde! Ich kann euch nicht sagen was ich machen kann oder werde. Aber ich werde erst mal hier bleiben, es sind eh nur noch drei Wochen, bis das Schuljahr zu ende ist!“ Arian blickt zu Boden, traut sich nicht in die Gesichter seiner Freunde zu sehen, die ihm wahrscheinlich traurig und mitfühlend anschauen. Doch er braucht kein Mitleid, er braucht gar nichts außer vielleicht Priya - nichts anderes will er. Er atmet einmal hörbar und schaut dann zum Fenster, blickt genau hinaus auf die Straße. Suhana steht wieder auf. „Was können wir nur machen? Wie können wir dir nur helfen?“, fragt sie dann und verschränkt ängstlich die Arme vor der Brust. „Ihr könnt Momentan gar nichts für mich tun, ihr könntet mich allein lassen!“, meint er dann monoton. „Aber...“, will Suhana ansetzten, doch Sanjay packt sie an den Schultern und dreht sie zur Tür. „Komm...“, meint er nur und führt sie hinaus.
Nachdem Arian die Tür ins Schloss fallen hört, lösen sich die letzten Tränen die er nun nicht mehr unterdrücken kann, er legt sich nun ganz aufs Bett und in Gedanken bei Priya schläft er kurze Zeit später auch ein.

Am nächsten Morgen liegt Arian immer noch genau so wie er eingeschlafen ist auf seinem Bett. Nicht einmal zu gedeckt hat er sich, den Kopf auf der rechten Seite und schläft wie ein kleiner Junge friedlich vor sich hin.
Suhana macht die Tür leise auf und will ihn wecken, vorsichtig geht sie zu ihm hin und setzt sich dann vor das Bett. Sie hebt die Hand und berührt leicht seine Schulter um ihn sanft aus dem Schlaf zu rütteln. „Arian, komm steh auf, wir müssen bald los!“, weckt sie ihn dann ruhig. Arian öffnet langsam die Augen und sieht wie Suhana nun lächelt, sie will gerade wieder aufstehen um hinaus zu gehen, doch da packt Arian sie am Handgelenk fest. „Danke...“, haucht er dann noch etwas verschlafen und schaut sie an. „Wofür denn?“, fragt sie, bleibt stehen und schaut ihn an. „Na dafür, dass du mich mal nicht so brutal geweckt hast!“, lächelt er dann und lässt ihr Handgelenk wieder los um auf zu stehen. „Ach, ich dachte mir ich versuche es mal auf die normale Weise!“, lächelt sie dann. Auch er lächelt, immer noch etwas verschlafen, und will gerade aufstehen um ins Bad zu gelangen, doch irgendetwas versperrt ihm den Weg und so landet er auf dem Boden. Suhana dreht sich, an der Tür, zu ihm um und fängt an zu lachen. „Was machst du denn da unten?“, fragt sie dann belustigt. „Na, was wohl? Ich dachte mir ich schlafe weiter und wie ist dies am besten möglich. Na genau, auf dem Boden.“, meint er ironisch und setzt sich dann auf den Boden. „Du stellst vielleicht Fragen!“ Suhana kommt wieder auf ihn zu und reicht ihm ihre Hand, er ergreift sie und lässt sich hoch ziehen. Dann blickt er zur Tasche vor dem Bett. „Wer hat die da nur hingestellt, ein normaler Mensch muss doch darüber fallen!“, meint er dann zischend. „Ähm... Arian, die hast du da gestern hingestellt schon vergessen?“, fragt sie dann lächelnd. „Ach, danke und ich dachte das Sandmännchen war gestern hier und wollte mich ärgern“, stießt er hervor und dreht Suhana den Rücken zu. „Sag mal hast du heute einen Clown zum Frühstück gehabt?“, fragt Suhana sarkastisch. „Ich hab heute morgen noch gar nichts gegessen, und Clowns sind so schwer zu verdauen!“, ruft er dann vom Bad. „Dann hast du sicher mit Peter Lustig geduscht!“
„Geht auch nicht, denn duschen tue ich erst jetzt.“
Suhana geht Kopfschüttelnd aus seinem Zimmer und dann die Treppen runter.


*****


Etwas verschlafen schaut Priya auf den Wecker und steht dann auf um ins Bad zu gehen. Als sie unter der Dusche steht, geht ihr Radiowecker los und weckt Lalita und Shierley. Diese sind auch kurz danach hellwach.
Geduscht kommt Priya wieder aus dem Bad und sucht sich erst mal etwas zum Anziehen, dann geht sie zurück ins Bad um sich fertig zu machen. Als sie dann wieder herauskommt, steht Shierley bereits mit allem drum und dran neben der Badtür und tritt nach dem Priya das Bad verlässt nun ein.
„Ach, ähm Priya? Wir fangen doch heute an mit den Prüfungen, oder?“, fragt Lalita und dreht sich am Spiegel zu ihr um. Schlagartig sind Priyas Gedanken ganz wo anders. „Ja, so ist es. Wieso?“, meint sie dann. Sie steht mit dem Rücken zum Spiegel, an ihrem Bett, und steckt die Bücher die sie heute braucht in ihre Tasche. „Ich hab nur gefragt, denn ich kann es kaum glauben wie schnell unser letztes Semester ging, im Gegensatz zu den davor!“, meint Lalita Schulter zuckend und dreht sich wieder zum Spiegel um.
Ja, da hat sie recht und vor allem WAS alles passiert ist. Traurig setzt sich Priya auf ihr Bett, versuchend die Tränen zu unterdrücken schaut sie zu Boden.
Lalita sieht sie im Spiegel und dreht sich dann wieder zu ihr um. „Was ist denn Priya?“, fragt sie und kommt auf Priya zu. „Ich weiß es auch nicht...“, haucht diese dann nur und wischt sich unter den Augen entlang, sodass die Tränen nicht weit kommen. Dann lächelt sie und steht auf, „Ich glaube, ich werde euch einfach nur wahnsinnig vermissen!“, meint Priya dann und schaut Lalita an. „Ach, wir werden uns sicher noch über den Weg laufen!“, meint Lalita scherzend und lächelt ihre Freundin an. Doch dieser ist nicht nach lachen und so dreht sich Lalita wieder um, um zurück zum Spiegel zu gehen.

Priya hat wieder die Wörter ihrer Mutter in den Ohren, warum macht sie das alles so verrückt und warum denkt sie nur noch an Arian? Sie muss sich an Sanjay gewöhnen, den sie heiraten muss, und nicht an Arian, den sie dann nie wieder sieht. Warum tut ihr diese Einsicht und Tatsache nur so weh, warum hat sie das Gefühl ihr Herz zerreißen zu hören? Und warum spürt sie erneut Tränen in den Augen, wenn sie an all das denkt? Sie schließt kurz die Augen um durch zu atmen und wischt sich dann über die Wange.
„Priya kommst du? Lass und gehen, zu den Prüfungen sollten wir besser nicht zu spät kommen!“, meint Shierley und schaut Priya erwartungsvoll an.
Priya dreht sich lächelnd um, die Gefühle versuchend zu unterdrücken. „In Ordnung, lasst uns gehen!“

Der Tag verläuft relativ normal, die Prüfung bekommen Priya und ihre Freundinnen ohne Schwierigkeiten hin und sind sichtlich erfreut als sie aus dem Klassenraum heraus kommen.
„Ich hätte nie gedacht, dass die so schwer werden!“, mein Shierley. „Ach, was so schwer waren die gar nicht!“, entgegnet Lalita neben ihr.
Priya hingegen ist in Gedanken vertieft, wenn sie doch nur auf hören könnte an ihn zu denken. Sie ist froh, dass sie nicht nur seinen Namen auf den Arbeitsblättern nieder geschrieben hat. Aber sie ist auch froh, sie wusste alle Antworten und kann sich auf eine gute Note einstellen, denn sie fand die erste Prüfung nicht schwer. Dafür machen ihre Gedanken ihr mehr Sorgen, doch kann sie sich das alles nicht erklären. Sie kann es kaum glaube, dass sie, wenn sie fertig mit der Schule ist eine Woche später heiraten soll. Wie kann sie ihren Eltern in so kurzer Zeit erklären, dass sie diese Hochzeit nicht will? Ihre Eltern sind sicher schon in den Organisationen vertieft, dass waren sie ja schon vorher. Sie werden sie bestimmt nicht einmal danach Frage, wie es ihr dabei geht. Oder geschweige denn ob sie die Hochzeit überhaupt möchte. Was ist aber wenn sie die Gelegenheit dafür schon längst hatte und nur nicht ergriffen hat? Sie hatte auf jeden Fall die Gelegenheit dazu, doch warum hat sie sie nicht genutzt?

„Priya...“, meint plötzlich Lalita neben ihr und rüttelt an ihrer Schulter. Priya erschreckt leicht und mit großen Augen schaut sie zu Lalita auf. „Was ist denn?“
„Zum ersten, kannst du unsere Zimmertür aufschließen und zum zweiten haben wir dich etwas gefragt!“, erklärt Lalita ihr. Priya schaut nun zur Zimmertür, ihr ist gar nicht bewusst gewesen, dass sie bereits angekommen sind. „Entschuldigt bitte, ich war in Gedanken!“, nuschelt Priya vor sich hin und schließt die Tür auf. „Was wolltet ihr denn von mir?“, fragt sie dann. „Eigentlich nur fragen, wie du die Prüfung heute fandest!?“, entgegnet Shierley, legt sich auf ihr Bett und atmet einmal erleichtert aus. „Nun ja, ich fand sie nicht sehr schwer.“, entgegnet Priya und lässt sich auf ihrem Bett nieder und ist kurz drauf auch schon wieder in ihren Gedanken versunken.


*****


Den halben Tag hatten die drei keinen Unterricht, da die Prüfungen wenn dann nur in ihrer Aufsicht geschrieben wurden. Die letzte Stunde sitzen sie nun im Lehrerzimmer und Arian legt gelangweilt das Kinn auf seine Hände.
„Was machen wir heute noch?“, fragt Suhana neugierig in die Runde. „Uns langweilen!“, entgegnet Arian scharf und blickt gerade aus, während Sanjay unwissend mit den Schultern zuckt. Suhana beginnt zu lachen. „Ja, du und langweilen! Wann passiert das schon? Dann wenn du mal nicht an deine Traumfrau denkst?“, meint sie dann und schlägt Arian auf die Schulter, vor lachen bekommt sie kaum noch Luft. Arian rutschen bei dieser Geste, seiner Nachbarin, die Hände vom Kinn und schaut Suhana dann mit großen Augen an. Doch das Wort 'Traumfrau' erlöst in ihm aus, dass sich sein mies gelauntes Gesicht mit einem verträumten Grinsen schmückt. Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und schlingt die Arme um die Oberarme um seine Gänsehaut, die er bei dem Gedanken an seine Liebe bekommen hat, wieder los zu werden. Ja, wie sehr er sich doch wünscht sie in den Arme halten zu können, ihr zu sagen, dass er sie liebt. Aber wie kann er ihr das denn jetzt noch erklären, es ist doch eh sinnlos und zu spät. Er weiß nur nicht, was sie sagen wird wenn er es ihr endlich sagt. Wird sie ihm sagen, dass sie ihn auch liebt, oder wird sie ihm sagen das sie nie irgendwelche Gefühle außer vielleicht Freundschaft für ihn empfunden hat? Doch wenn sie ihm sagt, dass sie ihn auch liebt, was wollen sie dann tun, die Hochzeit wird stattfinden egal was passiert! Aber schlimmer wäre es für ihn, wenn sie seine Liebe nicht erwidert, was soll er dann machen? Sie vergessen, ihre wunderschönen Augen vergessen, ihr schönes dunkles Haar und ihr hinreisendes Gesicht, all das vergessen? Wenn er das schafft, dann wird er sich selbst einen Pokal verleihen!

„Arian!“, holt ihn Suhana wieder aus seinen Gedanken. Er schreckt kurz auf und schaut sie dann an. „Was ist denn?“, fragt er irritiert. „Hast du die Schulglocke nicht gehört? Wir können jetzt gehen, nun komm schon!“, meint Suhana und zieht ihn dann vom Stuhl. „Oh ja klar!“, entgegnet er noch etwas benommen und steht dann auf.


*****


Priya ist gar nicht im Stande an ihre Prüfung zu denken, so wie ihre Freundinnen. Sie ist wieder in Gedanken und das schon seit Stunden.
Lalita wirft Shierley einen vielsagenden Blick zu und sie legen beide ihre Unterlagen zur Seite, setzen sich dann an Priyas Bett. Vorsichtig legt Lalita ihre Hand auf Priyas Oberschenkel, wobei diese erschrocken zusammen zuckt und ihre Freundin ansieht. „Liebes, was ist denn mit dir? Du hast doch etwas, dass ist doch kaum zu übersehen!“, redet Lalita sanft auf sie ein. Priya versucht sich etwas einfallen zu lassen, sie rutscht etwas weiter nach hinten um richtig zu sitzen. „Es ist nur...“, will sie gerade anfangen, doch wird dann auch schon von Lalita unterbrochen. „Wage es ja nicht uns zu belügen. Sag uns einfach was es ist!“, meint Lalita und nimmt die Hand von Priyas Oberschenkel. Priya atmet eine Mal tief ein, soll sie es ihnen wirklich sagen? „Nun ja ihr wisst doch, dass da...“, beginnt sie etwas unbehaglich und stoppt dann einfach. „Priya, spann uns nicht so auf die Folter. Hat es etwas mit diesem Unbekanntem zu tun, von dem du uns noch nicht viel erzählt hast!?“, sagt Shierley, gereizt und neugierig zu gleich. Priya nickt zur Antwort. „So unbekannt ist er euch gar nicht!“, meint sie dann noch. „Was soll das heißen, kennen wir ihn etwa?“ Erneut nickt Priya, spürt wie sie das Verlangen hat zu weinen, ihren Tränen freien lauf zu lassen doch sie unterdrückt es. „Kann es sein, dass du dich in diesen Unbekannten verliebt hast?“, fragt nun Lalita wissend. „Ich weiß nicht. Wenn ich euch erklären könnte, wie es in mir aus sieht, würdet ihr mich vielleicht verstehen! Doch glaubt mir, ich verstehe mich selbst nicht einmal und ich weiß auch nicht wie es in mir aus sieht!“ Priya blickt nun auf das Bett, unbegreiflich wie sie all das sagen kann, wie sie es ihnen sagen kann. „Vertraust du uns? Wir sind doch deine Freundinnen. Wem sollst du es sagen, wenn nicht uns!? Wir werden es verstehen, wenn du es nicht kannst.“, meint Lalita und ergreift nun eine Hand von Priya. „Sag uns... Wie fühlt es sich an wenn du in seiner Nähe bist? An was denkst du, wenn er vor dir steht? Und wie würdest du ihn beschreiben, wenn du ihn ansiehst?“
Mit dem Blick, an ihren Freundinnen vorbei beginnt sie ihn aus ihrer Sicht zu beschreiben. „In seiner Gegenwart fühle ich mich wunderschön. Ich hab das Gefühl ich könnte fliegen und aus seinem Mund klingt mein Name so anders, so als ob ich ihm gehöre. Wenn ich vor ihm stehe und er mich ansieht, verspüre ich den Drang ihn zu spüren, meine Finger über seine Wange gleiten zu lassen. Er ist genau der Mann, von dem ich immer geträumt hab...“
Priya stoppt, lässt ihre Worte so im Raum stehen und glaubt es kaum das sie dies gesagt hat. Nie hat sie es sich eingestehen können, doch diese Gedanken schwirren schon die ganze Zeit in ihrem Kopf um her und sind nun endlich über ihre Lippen gekommen. Nun treten ihr die ersten Tränen aus den Augen, schmerzhafte warme Tränen suchen sich den Weg über ihre Wangen. Shierley und Lalita schauen sie bedrückt an. „Auch wenn du es nicht hören möchtest. Doch eines steht definitiv fest. Du liebst ihn und das so sehr, dass du nun wegen ihm weinen musst!“, spricht Lalita im Flüsterton und umarmt sie dann.


*****


Suhana geht in der Küche auf und ab, Sanjay schaut ihr dabei zu und schmunzelt leicht vor sich hin. „Wir müssen mit ihm reden! Ich halte das nicht mehr aus! Ich kann das nicht! Ich werde noch verrückt. Komm!“, fordert sie ihn dann auf und zieht ihm am Handgelenk hinter sich her.
In Arians Zimmer angekommen stellt sie sich mit den Armen verschränkt vor Arians Bett auf und blickt zu ihm hinunter.
Arian öffnet die Augen. „Schon mal was von Anklopfen gehört?“, fragt er und schließt sie dann auch schon wieder. Sanjay hat die Tür hinter sich geschlossen und ist gespannt was Suhana Arian nun schon wieder an den Kopf werfen möchte.
„Wann zum Teufel möchtest du es ihr sagen!?“, faucht sie Arian dann an und stampft verärgert mit dem Fuß auf den Boden auf. Sanjay verdreht die Augen, er wusste dass sie so was sagt, Arian hingegen beginnt nun leicht zu grinsen. „Suhana mach dir keine Sorgen, sie wird es noch früh genug erfahren!“, meint Arian so kühl wie möglich. „Und wann wird das sein? Vor der Hochzeit? Oder erst nach der Hochzeit? Du bist ein hoffnungsloser Fall!“, meint sie dann und dreht ihm den Rücken zu. Sie wartet auf eine Antwort, doch die wird sie nicht bekommen und so geht sie wieder mit Sanjay aus Arians Zimmer.

Arian weiß bereits wie und wann er es Priya sagen will, er weiß auch jetzt schon welche Antwort er erhalten wird. Er weiß genau, was auf ihn wartet, braucht sich keine Gedanken zu machen, was sie sagen wird. Denn dafür wird er ihr nicht einmal die Möglichkeit geben, jedoch soll sie wenigstens wissen was er für sie empfindet. Einzelne Tränen lösen sich aus seinen geschlossen Augen und rinnen ihm die Wangen entlang. Er atmet einem tief ein und wieder aus, wischt sich dann die Tränen weg und versucht zu schlafen.